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Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Geschweige denn, dass er sich ausgezogen hatte. Und es gab noch etwas, was er sich nicht erklären konnte: die Temperatur im Schlafzimmer. Viktor griff im Dunkeln nach rechts auf seinen Nachttisch und aktivierte die LED-Anzeige seines batteriebetriebenen Reiseweckers. Es war gerade erst halb vier in der Nacht, und das elektronische Thermometer an der Uhr zeigte nur acht Grad Celsius an. Der Stromgenerator war offensichtlich ausgefallen, und wie zur Bestätigung tat sich nichts, als Viktor die Nachttischlampe anknipsen wollte. Es blieb dunkel im Raum.
    Verdammter Mist! Erst Sindbad, dann Anna, die Erkältung, der Traum und jetzt das. Viktor schlug die Decke zurück, griff nach der Stabtaschenlampe, die er für derartige Notfälle neben sein Bett gelegt hatte, und ging fröstelnd die knarrende Holztreppe nach unten. Obwohl er sonst kein ängstlicher Mensch war, überfiel ihn ein mulmiges Gefühl, als er mit dem Lichtkegel der Taschenlampe die Fotografien streifte, die an der Wand des Treppenhauses hingen. Seine Mutter lachend am Strand mit den Hunden. Sein Vater mit der Pfeife vor dem Kamin. Die gesamte Familie, die den Fischfang des Vaters bewunderte.
    Wie bei einem Menschen, der in einer Narkose versinkt, blitzten Erinnerungen für den Bruchteil einer Sekunde auf, um nach einem lichten Moment wieder in der Dunkelheit zu verschwinden.

    Als Viktor die Haustür öffnete, schlug ihm ein heftiger Wind ins Gesicht, der nicht nur Nässe, sondern auch die letzten Reste des Herbstlaubs ins Haus trug. Na, prima, dachte er. Jetzt mache ich aus meiner Grippe eine Lungenentzündung.
    Er zog sich seine Sportschuhe an und eine blaue Regenjacke mit Kapuze über seinen Seidenpyjama. In diesem Aufzug rannte er auf die Hütte mit dem Generator zu, die ungefähr zwanzig Meter von der Terrasse entfernt hinter dem Haus stand. Der Regen hatte den Sandweg völlig aufgeweicht, und hier und da bildeten sich schon größere Pfützen und Wasserlöcher, die Viktor im spärlichen Schein der Lampe aber nicht sehen konnte. Folglich waren seine Schuhe und seine Hosenbeine bereits nach zwei Dritteln des Weges durchnässt. Viktor zwang sich, trotz der Regenschauer, die ihm ins Gesicht peitschten, seine Schritte zu verlangsamen, um nicht in der Dunkelheit auszurutschen und zu stürzen. In seiner Reiseapotheke befand sich gerade mal das Nötigste gegen seine Erkältung, aber nichts zur Versorgung größerer Verletzungen. Ein offener Bruch am Bein war daher garantiert das Letzte, was er mitten in der Nacht auf einer abgeschiedenen und vom Unwetter heimgesuchten Insel brauchen konnte.
    Die metallene Hütte, in der sich der Generator befand, stand direkt an der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Strand und war davon durch einen verfallenen weißen Jägerzaun abgegrenzt.
    Viktor konnte sich noch gut an die Strapazen erinnern, wenn die Familie den Zaun mal wieder »wetterfest« machen musste. Erst wurde das damals schon morsche Holz angeschmirgelt, dann mit konservierendem Lack versiegelt und schließlich mit extrem scheußlich riechender weißer Farbe angestrichen. Und bei jedem Arbeitsgang hatte er seinem Vater assistieren müssen. Heute jedoch war der Zaun wegen seiner Vernachlässigung in den letzten Jahrzehnten genauso heruntergekommen wie der Generator, den Viktor jetzt wieder in Gang zu setzen hoffte.
    Er rieb sich mit dem Handrücken die Regentropfen von der Stirn und aus den Augen und hielt inne. So ein Mist! Er hatte es schon gewusst, bevor er die leicht angebrochene Plastikklinke herunterdrückte. Die Schlüssel. Sie hingen am Schlüsselbrett neben dem Sicherungskasten im Keller und er hatte sie vergessen.
    Verdammt!
    Viktor trat wütend gegen die verschlossene Metalltür und erschrak über das scheppernde Geräusch, das er dadurch verursachte.
    »Egal, wenn schon. Hier draußen hört mich keiner. Schon gar nicht bei diesem Wetter.«
    Er führte wieder Selbstgespräche und war trotz der kühlen Außentemperatur ins Schwitzen gekommen. Viktor zog sich die Kapuze vom Kopf. Und dann verlangsamte sich auf einmal alles um ihn herum. Ihn überkam ein irrationales Gefühl, so als ob jemand seine innere Uhr angehalten hätte und die Zeit stehen geblieben wäre. Es dauerte in Wirklichkeit nur den Bruchteil einer Sekunde. Aber plötzlich registrierte Viktor die Geschehnisse um sich herum nur noch in Zeitlupe.
    Es waren drei Dinge, die sich den Weg in sein Bewusstsein suchten. Das erste war ein Geräusch, das er erst hören konnte, als seine Ohren nicht

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