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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wasser in den Whisky und fügte ein paar dünne Eiswürfel hinzu.
    »Oh«, sagte Roman, »ich dachte, der Genuß von Alkohol sei den Hindus aus religiösen Gründen untersagt.«
    »Man betrinkt sich reichlich im Kathmandutal.«
    »Der westliche Einfluß?«
    »Sicher. Darüber hinaus findet es niemand komisch, wenn ein streßgeplagter Manager plötzlich Urlaub nimmt, sich den Körper mit Asche bestreut und in einem Tempel von Almosen lebt, um Buße zu tun.«
    Roman ließ die Eiswürfel kreisen.
    »Bei uns vergißt er die Alltagshektik im Wellness-Center. Beides ist sinnverwandt, würde ich sagen.«
    Wir sprachen von Kathmandu, von seinem Ruf als Mekka der
    »künstlichen Paradiese«. Ich erzählte, daß Junkies heutzutage toleriert, aber nicht mehr gerne gesehen wurden. Gantscha – der hiesige Name für Marihuana – und ähnliche Produkte hatten zwar als Volksrauschmittel Tradition, waren jedoch strengen Regeln unterworfen. Man rauchte nicht während der Arbeitszeit und nicht auf der Straße. Haschisch wurde vorwiegend bei religiösen Festen zu Ehren der Götter geraucht, oder man benutzte es für medizinische 72
    Zwecke.
    »Und was die Quantitäten betrifft«, sagte ich, »gibt es ein Sprichwort: Ein Tier weiß, wann es genug hat. Ein Mensch sollte es daher erst recht wissen.«
    Roman erwiderte, daß er sich auf dem Weg zur inneren Einsicht den maßvollen Genuß von Rauschmitteln durchaus vorstellen konnte. Ich nippte an meinem Tee, der nach Kardamon duftete. Ich konnte seine Meinung nicht teilen.
    »Geistige Erfahrung kommt von innen. Anders ist es keine Erfahrung, sondern Halluzination. Die Erkenntnis – so wie Tibeter sie verstehen – ist keine Wahnvorstellung, sondern Empirie. Unser Lebensweg führt uns zu Prüfungen, die wir zu bestehen haben. Das geht nicht, wenn wir Ecstasy schlucken oder Koks sniffen.«
    Roman nahm einen kräftigen Schluck.
    »Ich sehe schon, du gibst mir keine Chance. Ich wollte, ich wäre wie du. So solide, meine ich.«
    Roman war ein bißchen beschwipst. Den Glaubenskern vermeinte er in Asien zu finden. Asiaten hatten die Weisheit gepachtet. Er glaubte an den Wert der großmütigen Aussprüche, an die Früchte alter Kulturen – seien sie nun reif oder faulig. Die Spiritualität war hier, und alles Materielle draußen.
    »Das Leben dieser Menschen ist viel ausgefüllter als das so nüchterner, konsumverblendeter Leute, wie wir es sind.«
    Ich erwiderte ungerührt, daß nahezu jeder Asiate, im Besitz der erforderlichen Kreditkarten, der Konsumverblendung hemmungslos erliegen würde. Ich war – zumindest in dieser Hinsicht – gegen beweihräuchernde Illusionen immun.
    Wir aßen im Restaurant, das im Parterre lag, zu Mittag. Die Wände waren mit tibetischen Motiven bemalt: rosa Lotusblumen, Greifenvögel, Rehe, schwebende Buddhafiguren. Ausländer, die es als einen Teil ihrer Touristenpflichten ansahen, nepalisch zu speisen, aßen stoisch Lamm mit Curry, so scharf gewürzt, daß der Gaumen brennt und die Nase läuft. Manche wurden rot und husteten, und alle tranken Unmengen von Mineralwasser. Da wir müde und überdreht waren und Roman etwas blau, sagte ich:
    »Ich werde meine Cousine morgen aufsuchen. Heute wollen wir spazieren gehen.«
    So wanderten wir Hand in Hand durch die New Road, an den engen, mit Waren vollgestopften Läden vorbei. Touristen, mit den üblichen Mineralwasserflaschen versehen, schlenderten in Gruppen 73
    zu zweit oder zu dritt, drängten sich in den Werkstätten der Goldschmiede, der Holzschnitzer und in den mit Geschmacklosigkeiten prallgefüllten Curiosity-Shops.
    Tauben
    schwirrten empor, Glocken läuteten. Plakatfetzen klebten an den Wänden, es stank nach Fäulnis. Aus den vorspringenden Baikonen blickten Kindergesichter; Frauen in bunten Saris winkten einander zu. Sie wirkten wie lebende Bilder in einem wundervoll geschnitzten, zerbröckelnden Rahmen. Ich sagte zu Roman:
    »Alle Skulpturen sind Werke der Newari, der Ureinwohner des Kathmandutals. Man sagt, es sei das künstlerisch begabteste Volk der Erde. Aber es gibt immer weniger Handwerker, die imstande sind, wie ihre Vorfahren zu arbeiten.«
    Ich erzählte ihm, daß die Newari seit Jahrhunderten im Durchgang ganz verschiedenartiger Völker standen. Irgendwann hatten sie aufgehört, sich weiter zu entwickeln und ihre eigene Kultur zu vollenden.
    »Für jetzt, für lange, ist da nichts zu machen. Die Rückbesinnung schafft vielleicht die nächste Generation.«
    »Aber dann ist es zu spät«, meinte

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