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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Roman. »Vieles wird zerstört sein. Würden die Menschen ihren eigenen Traditionen treu bleiben, wären sie doch viel glücklicher.«
    Ich widersprach.
    »Die Geringschätzung der eigenen Kultur macht jedes Entwicklungsland durch. Die Menschen lassen das Alte verkommen, begehren nur noch Dinge, die zweckmäßig, laut und häßlich sind. Im europäischen Industriezeitalter war es kaum anders.«
    »Aber das ist nicht dasselbe!« protestierte Roman. »Bei uns hat das Umdenken längst stattgefunden.«
    »Wo ist der Unterschied? Jede Kultur folgt ihrem eigenen Rhythmus. Kennst du ein einziges Volk, das Dummheiten und Irrtümern fern bleibt? Ich nicht.«
    Mädchen mit seidenweicher Haut füllten ihre Messingkrüge an den kleinen, öffentlichen Brunnen, während unmittelbar daneben Leute ihre Notdurft verrichteten – schamvoll mit dem Gesicht zur Hauswand hin. Auffallend schöne Frauen, in ihren wehenden Saris Schmetterlingen ähnlich, schritten in dünnen Sandalen durch den Staub. In den Händen hielten sie Tragbretter mit Opfergaben für die Götter. Sie knieten vor den Heiligtümern nieder, warfen Körner aus.
    Sie bestrichen mit Zinnoberpuder die blumenbekränzten Ungarns, die steinernen Phallusfiguren, die durch das Streicheln und Einreiben 74
    abgenutzt und abgewetzt waren. Und überall, auf den Wandreliefs, auf den Kapitellen der Säulen und auf marmornen Sockeln, vergoldete die schräge Sonne die vielköpfigen, vielarmigen Steinfiguren, triefend und glänzend von dem Wasser, das die Pilger aus kleinen Kupfergefäßen über sie gossen. Götter mit Tiergesichtern, siebenköpfige Nagaschlangen, brünstige Widder, Nymphen, die aus Bäumen wuchsen, zeigten die wechselnde Mehrschichtigkeit der Schöpfung, ihre Abgründe und Widersprüche.
    Die Teilhabe am magischen Ganzen der Natur, die dem Primitiven und dem Kind im Märchenalter gewährt war, trat tausendfach in Erscheinung.
    Wir schlenderten weiter, die Augen auf Balken und Giebel gerichtet; jeder fingerbreit Holz war mit geschnitzten menschlichen Gestalten in den unverblümtesten Positionen des Sexualaktes ausgeschmückt. Roman ließ ein kleines, etwas geniertes Lachen hören.
    »Auf alle Fälle sind die Nepali nicht prüde. Schau dir an - wenn du all diese Familien mit acht, zehn, zwölf Kindern siehst, dann weißt du, daß sie nachts rege sind.«
    »Dabei muß man das verstehen können«, antwortete ich. »Die Schnitzereien dienen als Blitzableiter.«
    »Sehr logisch ist das nicht, was du da sagst.«
    »Doch. Der Liebesakt ist Segen und heiliges Tun. Die Hindus schenken diesen Bildern ebensowenig Beachtung wie Katholiken ihren Kirchenfiguren. Aber die Göttin des Blitzes ist eine scheue Jungfrau und ergreift vor solchen Szenen die Flucht.«
    Roman lachte.
    »Da kommt immer wieder der Punkt, wo ich deine Behauptungen einfach hinnehmen muß.«
    Gegen Abend wurde es kühl. Am dunklen Himmel funkelten die Sterne groß und diamantenklar. Die Händler schlossen ihre Ladentüren, die Straßen leerten sich schnell. Aus den Fenstern schimmerte fahles Licht, Obdachlose kauerten unter Torbögen, Hunde wühlten im Abfall. Kneipen und Restaurants waren hell erleuchtet, aber Kathmandus Nachtleben schien uns eine ziemlich reizlose Angelegenheit. Wir aßen ein Sandwich an der Bar, tranken einen Brandy; durch schummrige Korridore und über knarrende Treppenstufen gingen wir in unser Zimmer, badeten und legten uns zu Bett. Als wir entspannt in der Dunkelheit lagen, wälzte sich Roman auf mich. Er knöpfte meinen Pyjama auf, seine Hände legten 75
    sich zwischen Haut und Stoff. Er ließ meine Hose über meine Schenkel und Füße gleiten. Ich umschlang ihn mit Armen und Beinen. Er preßte seinen heißen Körper an meinen, fuhr mit seiner Hand über meine Hüften, dann strich er mit den Fingern die Innenseite meiner Schenkel entlang. Ich schloß die Augen, während er stoßweise in mich eindrang und sich mit langsamen, festen Stößen in mir bewegte. Vor meinem inneren Auge funkelten Blitze; und sogar die Dunkelheit hinter den Lidern wies Lichtflecken auf, die nicht im Auge selbst waren.
    »Was ist das?«
    Das Gefühl, das sein Körper auf dem meinen hervorrief, verursachte eine Art Schwindel. Ich keuchte leise. Rötliche Pünktchen schwammen mir entgegen. »Wer bist du?«
    Romans Zunge tauchte in meinen Mund. Seine Hände glitten unter meine Hüften, hoben mich hoch. Das Brennen meines Körpers überfiel mich in Wellen. Roman stöhnte leise. Sonst war ich es, die den Rhythmus

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