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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wozu der banale Liebeswortschatz, abgedroschen wie jede automatische, empfindungslose Höflichkeitsformel? Worte lassen Gefühle welken.
    Ich hätte neue, noch nie gehörte Ausdrücke erfinden müssen, Ausdrücke, die nur Atan galten. Es war, als ob mein eigenes Leben mich verließ, um in ihm zu leben; bei allen anderen Männern zuvor war ich allein geblieben. Alles, was ich bisher empfunden hatte, war nichts gegenüber diesem Schmerz und Begehren. Ich wollte ihn schmecken wie eine reife Frucht und spürte zugleich Angst. Nicht physische Angst, nein, die kannte ich schon seit Jahren nicht mehr.
    Sondern die andere, die wie ein Tor ist, das sich plötzlich in den Tod öffnet. Ich streichelte sein Rückgrat, ließ Wirbel für Wirbel meine Hand tiefer wandern, über sein Kreuz, über die festen Lenden. Er atmete flach, genoß die Liebkosung. Ich legte meine Hände um sein Becken, glitt langsam an ihm entlang, liebte ihn mit den Lippen und mit meinem heißen Mund, wie Frauen das tun seit dem Anfang der Welt. Ich spürte, wie er die Liebkosung aufnahm, wie zitternde Wellen durch seine Muskeln flogen. Ich streichelte und knetete seine Haut; sein Körper war so stark und lebendig unter meinen Fingerspitzen, trotz der vielen Narben, der inneren Verletzungen, von denen ich nichts wußte, von denen er nicht sprach. Nach einer Weile hob er mich hoch, drehte sich auf den Rücken, und ließ mich wieder hinuntersinken. Ich setzte mich auf sein Becken; er glitt in mich hinein, langsam zuerst und sehr tief. Seine Bewegungen waren geübt, vollkommen beherrscht; jeder Stoß verfeinerte mein 187
    Empfinden. Ich wurde weit bis zu den Hüften, ließ mich tiefer sinken. Ich hatte innen harte Muskeln und forderte seinem Körper Kraft ab. Die höchste Lust schien mir schmerzhaft bis zur Grenze des Erträglichen. Viele Frauen schließen die Augen dabei, ziehen sich zurück, richten ihre Blicke nach innen. Ich sah ihn entschlossen an; ich wollte ihn nicht verlassen, sondern mitnehmen. Meine Handflächen lagen auf seinem Gesicht, die Daumen drückten zart auf die Augenlider, spürten die beweglichen Augäpfel darunter. Die Beine taten mir weh, die Schenkel, alles tat mir weh vor Verlangen.
    Ich wollte ihn ganz und gar besitzen. Er sollte mich lieben, wie er Chodonla liebte, denn sie war immer da, ein Phantom, fest in mein Gehirn eingewoben. Auch jetzt. Atans Lippen waren voller und glänzender, so daß er jünger aussah, und seine geweiteten Augen hatten hatten die Farbe schwarzer Johannisbeeren. Er lag unter mir, sein Kopf zurückgesunken, bis er mich plötzlich mit seinem Becken hob, in mir mit langsamem Pulsschlag anschwoll. Die feste, harte Wärme in mir war etwas Magisches, ein ungezügeltes, unzerstörbares Wunder, das Leben selbst, das ich festhalten und bewahren mußte, wie einen Fötus, wie mein eigenes Fleisch und Blut. Ich stemmte mich empor, zog mich enger zusammen, mein Rückgrat krümmte sich wie ein Bogen. Mein Kopf schwang hin und her, ich zitterte unter der Anstrengung. Schwindelnd, bebend, atemlos fühlte ich die Welle durch meinen Körper riesein. Ganz plötzlich versagten meine Kräfte; schlaff und schwer fiel ich vornüber, mein Gesicht lag auf seiner keuchenden Brust. Ich hörte mein Blut rauschen, krallte mich an seinen Schultern fest.
    »Warte!« Flüsterte ich. »Bewege dich nicht.«
    Er legte beide Arme um mich herum, streichelte meine Lippen mit der Zungenspitze. Ich schmiegte mein Gesicht an seines, zog mich eng zusammen, behielt ihn in mir. Ich wußte, ich hatte eine Entscheidung zu treffen, jetzt gleich, in dieser Nacht. Der Gedanke kam und ging, während ich langsam wieder zu Atem kam, mit seinen Locken spielte, sie unter meiner Handfläche glättete. Nach einer Weile glitt ich an seine Seite, wobei ich eines seiner Beine zwischen meinen Schenkeln festhielt. Ich sah seine geschlossenen Augen, unter denen die Wimpern wie ein schwarzer Strich lagen. Lange Augen mit stark gewölbten Lidern, die sein Gesicht vergrößerten, wenn er sie, wie im Augenblick, geschlossen hielt. Mir kam in den Sinn, daß es kein Gesicht Asiens war. Ich richtete mich auf den Ellbogen auf.
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    »Bist du ganz und gar Khampa?«
    Er runzelte die Stirn, als dachte er nach. Vielleicht dachte er wirklich nach. Schließlich sagte er:
    »Ich bin weder dieser noch jener.«
    »Du bist darin geübt, scheint mir.«
    »Es ist für uns nicht schwierig«, sagte er.
    Ich betrachtete sein leicht phosphoreszierendes Gesicht. Aus Atans Zügen sprachen seine

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