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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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auf die Koffer, die bald ausgeladen wurden. Ein junger Träger schleppte Karmas Gepäck zu dem wartenden Taxi und verstaute die Koffer. Wir quetschten uns in den Wagen, der, wie die meisten Autos in Pokhara, so aussah, als ob er sich gleich von Scheiben, Kühlerhaube und Kotflügel trennen wollte. Der Chauffeur drehte den Kontaktschlüssel, nach ein paar ruckartigen Erschütterungen setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Karma lehnte sich zurück, das Gesicht mir zugewandt.
    »Du siehst seltsam aus.«
    »Ja, das kann schon sein. Sag zuerst, wie geht es Jonten Kalon?«
    »Gut. Viel besser, als ich dachte. Er hat nach dir gefragt.«
    »Und was hast du ihm gesagt?«
    »Daß du dir Mühe gibst.«
    »Das ist nicht fair. So schlecht bin ich nicht. Oder?«
    »Du bist sogar ausgezeichnet.«
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    »Das klingt schon besser. Und was hat Jonten Kalon dazu gesagt?«
    »Daß er es von Anfang an gewußt hätte.«
    »Großartig!«
    Sie warf mir erneut diesen tiefen Blick zu.
    »Du scheinst ein Problem zu haben.«
    Ich seufzte.
    »Woher du das weißt, ist mir schleiferhaft. Aber du hast schon recht. Wir werden darüber reden müssen.«
    Es dunkelte bereits. Nur vereinzelt blinkten trübe Lichter. Der Wagen rumpelte über die Schlaglöcher. Als wir das Tashi Packhiel Camp erreichten, verschwand das Hochtal bereits im Schwarz der Nacht. Das Taxi hielt mit knirschenden Bremsen vor dem Tor. Wir entließen den Fahrer mit einem Trinkgeld und schleppten das Gepäck über den Platz. Auf dem Weg zum Haus sprachen wir nur wenig, die Koffer waren viel zu schwer. Karma hatte sich neue Schuhe gekauft, ihre Absätze klapperten auf den Steinen. Als ich die Tür aufstieß und Licht machte, warf sie einen raschen Blick umher und richteten ihn dann auf mich.
    »Du hattest Besuch«, sagte sie in die Stille hinein.
    Ich schluckte.
    »Er ist noch da.«
    Sie hob ihre flaumigen Brauen.
    »Gehört er auch zu deinem Problem?«
    »Man kann es wohl so sagen.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »In Pokhara. Er holt Benzin für den Jeep. Er fährt zurück nach Tibet. Übermorgen. Ich fahre mit ihm, Karma. Mir liegt sehr viel daran.«
    Sie ließ sich auf der Sitzbank nieder, strich sich das Haar aus dem Gesicht und wartete. Ich schraubte die Thermosflasche auf, goß braunen nepalischen Tee ein. Sie nahm wortlos den Becher und trank. Ich setzte mich neben sie. Das Leben hat schon eine ganz eigene Art, einen Menschen zu verwandeln. Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck. Ich spürte keine Erregung mehr und wollte auch keine verbreiten.
    »Ich habe Nachrichten von Chodonla. Sie ist schwer krank.
    Tuberkulose. Sie wurde gefoltert und vergewaltigt. Ihre Tochter ist von einem Chinesen. Sie spioniert für die Nationalisten. Wußtest du das?«
    Sie zuckte zusammen, aber nur ganz leicht, bevor sie den Kopf 194
    schüttelte.
    »Ich habe oft versucht, mehr zu erfahren. Die Leute fingen an, dieses oder jenes zu erzählen. Aber nie etwas Genaues.«
    »Vielleicht wußten sie es nicht.«
    Ich sah ihr unglückliches Profil.
    »Sie fühlten sich zu Achtung und Mitgefühl verpflichtet. Sie wollten es mir nicht sagen.«
    »Jetzt weißt du es also«, sagte ich hart »Ich will sie sehen, Karma.
    Mir bleibt nichts anderes übrig, sonst verbringe ich schlaflose Nächte. Aber Chodonla hat in die Politik hineingepfuscht. Wenn ich etwas mit ihr zu tun habe, werden wir beide verdächtig sein. Das will ich lieber vermeiden. Atan hat versprochen, mir zu helfen.«
    »Wer ist er, Tara?«
    Ich nahm einen Schluck, drückte den Becher an meine Wange.
    »Wenn man von Atan spricht, muß man sich Zeit nehmen.«
    Während ich erzählte, dröhnte die Klostertrommel, die das Abendgebet skandierte; mir war, als poche mein eigenes Blut.
    Nachdem ich alles gesagt hatte, was zu sagen war, trank ich meinen Tee aus und stellte den Becher ziemlich laut auf den Tisch.
    Karmas Gesicht war wieder ruhig. Ihre Augen glänzten matt im Neonlicht.
    »Du mußt natürlich gehen.«
    »Jede an meiner Stelle würde es genauso machen.«
    Sie nickte.
    »Ich denke schon. Aber was ist mit ihm?«
    Meine Kieferknochen krampften sich zusammen.
    »Ich bin keine sentimentale Natur. Aber ich lebe nicht, ohne von Zeit zu Zeit Männer zu haben. Und dann weiß ich gerne, woran ich bin. Bestimmt werde ich eines Tages so weit kommen, daß er mir nichts mehr bedeutet.«
    Sie ließ mich nicht aus den Augen.
    »Mir scheint aber, du hast dich verliebt.«
    Ihre Worte verstärkten das feine Pochen in meinem Unterleib, dieses flüssige, warme Gefühl in

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