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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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Anblick der schlafenden Amelie, bevor er den Audi stark beschleunigte. Was er nicht sah, waren die geballten Fäuste des Mädchens. Die kleinen Rillen, die ihre Fingernägel hinterließen, als diese sich in ihre Handballen bohrten. Die Tränen, die sich aus ihren Augenwinkeln stahlen. Das alles sah James nicht.
     

Kapitel 12
     
    14. Mai 2013 – New York City
     
    Die Stufen der alten Treppe knarrten verdächtig unter den Füßen der jungen Frau, die sich müde und abgekämpft zu ihrer Wohnung im dritten Stock des Hauses schleppte. Hier war sie erst seit einigen Monaten daheim. Präzise gesagt, seitdem sie das Studium der Kunst am New Yorker Berkeley Collage aufgenommen hatte.
    Erin Eliza Prescott hatte immer genau gewusst, wo es lang gehen sollte und hatte nichts und niemanden gestattet, sich in ihre Belange einzumischen. Hatte stets ihr eigenes Ding gemacht und das von klein an. Und dabei zumeist richtig gelegen. Na ja, bis auf das eine Mal, und diesen Fehler hatte sie eine Ewigkeit von acht Jahren ausbaden müssen. Aber sie wollte nicht ungerecht sein. Sie hatte sich nach dem Abschluss an der Highschool ganz bewusst und mit freiem Willen für das Studium der Medizin entschieden. Obwohl ihr jeder, inklusive des langjährigen Butlers der Prescotts, Tupper, gesagt hatte, dass sie sich auf einen Holzweg begab. Tupper hieß der Mann übrigens wegen seiner unglaublichen Neigung, diese angeblich lebenslang haltbaren Plastikdosen in Unmengen für die Prescotts anzuschaffen. Seine Eltern hatten ihm vor 70 Jahren den Taufnamen Percy gegeben, nur so nannte ihn niemand mehr.
    Es hatte nur wenige Wochen gedauert, da hatte Erin eingesehen, dass Tupper recht gehabt hatte, genauso wie ihre Freunde und wie der Rest der Familie. Sie war nicht geschaffen für den Beruf des Arztes und das nicht nur, weil sie beim kleinsten Tropfen Blut aus den Latschen kippte. Ihr widerstrebte es einfach, den menschlichen Körper als eine Art Maschine zu sehen, die kaputt gehen konnte, aber die mit fundiertem Wissen und ein bisschen Glück durchaus zu reparieren war. Der Zauber des Irdischen, das Wunder dieser genialen Schöpfung ging dabei ein Stück weit verloren, ihrer Meinung nach. Zumindest in einigen Bereichen. Trotzdem war es für Erin nie eine Option gewesen, das Studium abzubrechen. »Was man anfängt, das führt man auch zu Ende«, das war der Leitsatz, den ihre Eltern ihr mit auf den Lebensweg gegeben hatten, und daran hatte sie sich gehalten. Tapfer hatte sie sich durch die Semester geackert. Hatte sich mit der einen oder anderen Ketchup-Orgie, die besser nicht im Detail beschrieben werden sollten, für den Anblick von Blut immunisiert. Hatte irgendwann begriffen, dass die Medizin, der Fortschritt auf diesem Gebiet der Wissenschaft, durchaus Segensreiches beinhaltete. Und es gab da noch einen weiteren Grund, warum sie durchgehalten hatte. Liam! Weil sie so zumindest ein bisschen das Gefühl gehabt hatte, etwas wiedergutmachen zu können. Auch wenn das natürlich ein Trugschluss war.
    Endlich war sie im dritten Stock angekommen und schloss schweratmend die Tür zu ihrem Einzimmerappartement auf. Wenigstens hatte diese tägliche Tortur einen guten Einfluss auf ihre Waage. Seitdem sie hier wohnte, hatte sie fast fünf Pfund abgenommen. Das war ihr in den Jahren zuvor mit unzähligen Diäten nicht gelungen.
    Gleich nach der Facharztausbildung am Washingtoner Georgetown University Hospital zur Internistin, war sie in Berkeley angetreten. Und machte endlich das, was ihr am Herzen lag. Bereits als kleines Mädchen hatte sie leidenschaftlich gern gemalt. Nein, nicht einfach nur Farbkleckse auf weißes Papier gesetzt, sondern richtiggehend gezeichnet und gemalt. Ein Riesentalent, das auch ihre Familie frühzeitig erkannte, aber das Erin, selbst als sie älter wurde, immer nur als ein nettes Hobby abgetan hatte. Erst mit der Zeit hatte sie begriffen, dass hier ihre wahre Berufung und Passion lag. Also hatte sie Nägel mit Köpfen gemacht und ihr ganzes Leben mal eben so von links nach rechts gedreht. Tagsüber lernte sie nun professionell den Pinsel und den Bleistift zu schwingen und nachts ging sie zu dem kleinen Krankenhaus in der Nähe ihrer Wohnung, um sich mit Nachtschichten ihr zweites Studium eigenständig zu finanzieren. Sie wollte es aus eigener Kraft schaffen. Wann sie schlief? Das wusste sie zuweilen selbst nicht, aber egal, dafür blieb noch Zeit genug, wenn sie eines Tages das Examen in der Tasche hatte.
    Silvia und William B.

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