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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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ungeahnte Empfindungen in mir zu wecken, Gefühle, die mich um den Verstand brachten.
    »Leni … ich …«
    Sein besorgter Tonfall ließ mich aufschauen – ein Fünkchen Hoffnung schöpfen.
    Doch sein Gesicht sprach Bände. Die Augen waren düster, als er sich mit einer Hand durch die Haare fuhr. Er wirkte hin- und hergerissen zwischen Frustration und blanker Wut.
    »Was?«, sagte ich leise, als er schwieg.
    »Ich kapiere einfach nicht, warum du es nicht für nötig gehalten hast, mir das zu sagen«, brüllte er mich an. »Jungfrau!« Es klang wie ein Schimpfwort, als ob ich eine ansteckende Krankheit hätte.
    »Na und?«, erwiderte ich beleidigt und kratzte dafür meinen ganzen Stolz zusammen. »Rege ich mich darüber auf, dass du scheinbar schon jede Menge Erfahrung hast?!«
    Er lachte höhnisch auf und mir verschlug es die Sprache. Jetzt lachte er mich auch noch aus. Mehr Demütigung ging ja wohl nicht.
    »Klar habe ich gemerkt, dass du wenig Erfahrung hast, aber dass du noch Jungfrau bist, zum Teufel, das hättest du mir sagen müssen!«
    Ich atmete tief durch. Kämpfte gegen die Tränen an, die sich nicht mehr länger zurückhalten lassen wollten, dann ballte ich die Hände zu Fäusten und schleuderte ihm meine ganze Enttäuschung, die Verletzung, die Erniedrigung entgegen. »Du bist so ein widerliches, selbstherrliches, rücksichtsloses Riesenarschloch. Ich … ich hasse dich!«
    Dann rannte ich los. Einfach nur weg von ihm, während mir die Tränen über die Wangen liefen.
    Den Rest des Tages verkroch ich mich in mein Zimmer. Unfähig, irgendetwas zu tun, außer mich unendlich mies zu fühlen.
    Ich hatte versucht, Geena anzurufen, doch nur ihre Mailbox erreicht, und am Ende war ich froh darüber gewesen.
    Was hätte ich ihr auch sagen sollen? Wie mein Verhalten erklären können? Mein erstes Mal im Küstenwald. Ich hatte Dinge getan, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hatte. Und ich musste zugeben, dass die Initiative von mir ausgegangen war. Weil ich verrückt nach diesem Kerl war. So verrückt, dass selbst Felix an den Rand gedrängt worden war. Ich konnte mir kaum noch vorstellen, dass ich fix und fertig gewesen war, weil er angeblich zum HSV wechseln, ohne mich nach Hamburg gehen wollte. Es war bitter, so bitter … Jetzt hockte ich mit angezogenen Beinen auf dem Bett und verspürte den schlimmsten Herzschmerz meines Lebens – wegen Marc. Weil er mich nicht wollte. Nur mit mir geschlafen und mich dann von sich gestoßen hatte. Dafür hasste ich ihn. Abgrundtief.
    Und gleichzeitig tat es so furchtbar weh, denn trotz allem spürte ich, dass da immer noch etwas war, was mich zu ihm hinzog. Dass ich in Marcs Händen, egal, wie gemein er sich mir gegenüber auch verhielt, immer zu flüssigem Wachs werden würde.
    Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und im nächsten Augenblick stand meine Tante im Zimmer. Ich schreckte auf und schaute in ihr besorgtes Gesicht.
    Oh Gott, Marc wird ihr ja wohl nichts gesagt haben?, durchzuckte es mich.
    »Leni«, sagte sie ernst. »Was ist mit dir los?«
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf. »Ähm … nichts«, stammelte ich. »Was soll schon sein? Alles ist gut.«
    Sie musterte mich misstrauisch. »Du willst nicht hier sein, stimmt’s?«
    Ich zögerte mit meiner Antwort und entschied mich dann für eine Gegenfrage. »Wie kommst du darauf? Und warum stürmst du einfach so in mein Zimmer?«
    Clara klemmte sich eine störrische Haarlocke hinters Ohr. »Ich bin nicht
einfach
so in dein Zimmer gestürmt, sondern habe mindestens fünf Minuten geklopft. Aber als du nicht geöffnet hast, habe ich mir Sorgen gemacht und den Zweitschlüssel geholt.«
    Fünf Minuten geklopft? War ich etwa eingeschlafen? Oder übertrieb Clara maßlos? Mir blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn meine Tante fuhr hektisch gestikulierend fort: »Dies ist nicht der erste Tag, an dem du dich in dein Zimmer verkriechst. Ich spüre doch, dass du dich bei uns nicht wohlfühlst. Und Jamie meint auch, ich kann dich nicht zwingen hierzubleiben, wenn du unglücklich bist. Das wäre nicht fair.«
    Ich war überrascht. Wieso jetzt plötzlich dieses Gespräch? War es am Ende vielleicht eher so, dass sie und Jamie mich loswerden wollten? Oder hatte Marc etwas damit zu tun?
    Ich richtete mich auf, drückte die Schultern durch und fragte ruhig: »Möchtest du, dass ich abreise?«
    Sie machte große Augen. »Natürlich nicht!«, versicherte sie mir schnell. »Ich dachte, du

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