Die Tiefen deines Herzens
angestellt, aber im Großen und Ganzen warst du ein braves Mädchen.«
Nun war ich es, die knallrot anlief, während Clara und Jamie sichtlich irritiert zwischen Marc und mir hin und her schauten.
1:0 für dich, du Mistkerl!, dachte ich bitter und beschloss, ihn für den Rest des Abends wie Luft zu behandeln.
D ie Liebe gleicht einem Ring, und der Ring hat kein Ende.
(Aus Brasilien)
14
Es war kurz vor neun, als ich den Frühstücksraum der Pension betrat und mich mit einem versteckten Gähnen auf den erstbesten freien Platz sinken ließ. Ich hatte schlecht geschlafen. War die ganze Nacht hindurch von wirren Träumen geplagt worden.
Im Badezimmer hatte ich frustriert mein Spiegelbild betrachtet. Diese verdammten Haare, die einfach nicht so wollten wie ich, dieser verdammte Marc, der sowieso an allem schuld war.
Clara strich mir im Vorbeigehen flüchtig über den Rücken. »Guten Morgen, Leni. Hattest du eine gute Nacht?«
»Ja.« Wieder eine Lüge. Langsam wurde das zur Gewohnheit bei mir.
»Soll ich dir Tee oder Kaffee bringen?«, fragte sie weiter, während sie das benutzte Geschirr am Nachbartisch auf ein Tablett räumte.
Ich winkte ab. »Lass mal, ich nehme mir nur ein Glas Saft.«
»Aber essen wirst du doch etwas? Ich kann dir auch schnell ein Spiegelei braten, wenn du magst.«
»Danke, lieb von dir, aber mir reicht ein bisschen Müsli.«
»Okay, ich kann’s ja verstehen, morgens bekomme ich auch kaum etwas runter. Im Gegensatz zu Jamie. Der hat heute früh sage und schreibe vier Brötchen und eine Mörderportion Rührei verputzt. Marc wurde schon ganz ungeduldig.«
»Warum ungeduldig?«, fragte ich bemüht gleichgültig.
Plötzlich strahlte Clara übers ganze Gesicht. »Weil er beschlossen hat, mit ins Boxcamp zu gehen.«
»Na und?« Ich verstand ihre Begeisterung nicht.
Clara nahm das volle Tablett vom Tisch und grinste noch breiter. »Er wird wieder boxen, hat er gesagt. Ich glaube, das Schlimmste ist überstanden. Weißt du, was, Leni? Ich bin fest davon überzeugt, von nun an geht es endlich bergauf.«
Vor über zehn Jahren hatte ich schon einmal hinter einer Hecke gestanden und verstohlen auf die andere Seite gespäht.
Nur dass es diesmal keine kleinen Jungs waren, sondern ausgewachsene Männer. Und es ging auch nicht um Fußball, sondern ums Boxen.
Jamie hatte anscheinend ein Freilufttraining angeordnet, denn ich sah ein paar Typen auf der Wiese mit Gewichten hantieren und andere gegen Punchingbälle boxen. Marc war nicht unter ihnen. Vielleicht hatte er doch einen Rückzieher gemacht?
Eine Weile beobachtete ich noch die Nachwuchsboxer bei ihrem schweißtreibenden Training, dann wandte ich mich ab, um zurück in die Pension zu gehen.
Ich wollte, nein, ich musste mit Marc sprechen. Er sollte mir verdammt noch mal erklären, warum er mich so mies behandelt hatte. Sollte mir ins Gesicht sagen, dass ich nichts weiter als ein flüchtiges Abenteuer für ihn war.
Aber ich war mir sicher, dass er das nicht konnte, weil es nicht der Wahrheit entsprach. Das mit uns, das hatte ihm etwas bedeutet. Das hatte ich gespürt. Ganz deutlich. Auch wenn ich nicht gerade eine Expertin in Sachen Männer war. Es musste einen anderen Grund geben, warum er mich anschließend so kalt abgewiesen hatte. Und den wollte ich von ihm hören. Vorher würde ich keine Ruhe geben.
Als ich mich umwandte, hörte ich Jamie Marcs Namen rufen und verharrte abrupt in der Bewegung. Mein Herz dröhnte vor Aufregung, als ich mich erneut auf die Zehenspitzen stellte, um über die Hecke zu blicken.
Jetzt entdeckte ich ihn. Er trug eine schwarze Boxerhose, sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß. An seinen Händen bemerkte ich rote Boxhandschuhe. Dann verschwand er auch schon in der Halle. Gefolgt von Jamie und einem jungen Typen, der eben noch wie verrückt auf einen der Punchingbälle eingedroschen hatte.
Ich zögerte nicht lange, sondern rannte um die Hecke herum, öffnete das schmiedeeiserne Tor und huschte mit gesenktem Kopf an den Trainierenden im Innenhof vorbei in die Halle.
Marc befand sich bereits im Ring, während der andere Typ gerade im Begriff war hinaufzuklettern. Beide trugen einen Kopfschutz.
Rasch zwängte ich mich in die hinterste Ecke, halb verborgen von einem grauen Spind, sodass man mich nicht sehen konnte, ich aber einen guten Blick auf das Geschehen im Boxring hatte. Jamie war neben ihnen und sagte etwas, was ich aber aufgrund der Entfernung nicht verstehen konnte. Jetzt trat er einen
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