Die Tiefen deines Herzens
dass es nicht richtig war. Mir war klar, dass ich endlich mit ihm reden musste. Ihm sagen, was auf Usedom mit mir geschehen und dass nun alles ganz anders zwischen uns war. Wieder einmal anders . Wieder einmal neu.
Meine Zeit auf der Insel lag nun schon über eine Woche zurück. Eine Woche, in der ich versucht hatte, mich mit Marcs Entscheidung, die er für
uns
getroffen hatte, irgendwie abzufinden.
Zwei quälende Tage und Nächte hatte ich es zu Hause ausgehalten, bevor ich mich voll tiefstem Kummer endlich Geena anvertraut und ihr alles – wirklich alles – erzählt hatte.
»Warum England?«, hatte ich geschluchzt. »Wenn er auf Usedom geblieben wäre, dann hätten wir bestimmt einen Weg gefunden, uns regelmäßig zu sehen. Aber England …«
»Weil er vielleicht doch nur mit dir gespielt hat, Leni. Hast du darüber mal nachgedacht?!«
»Nein. Und das will ich auch gar nicht.«
Geena hatte den Kopf geschüttelt. Über mich. Über Marc. Über mein Handeln. Und am allermeisten über meinen Kummer.
»Leni, jetzt mal ehrlich, was hast du denn gedacht? Dass das mit euch eine Zukunft hätte? Dein Marc ist ein einundzwanzigjähriger Boxer aus England, du bist eine siebzehnjährige, behütet aufgewachsene Gymnasiastin aus Berlin. Selbst wenn der Spruch Gegensätze ziehen sich an stimmt, zwischen euch liegen nicht nur viele, viele Kilometer, sondern ihr lebt auch in ganz unterschiedlichen Welten. Das mit euch geht gar nicht. Kapier es endlich und finde dich damit ab. Die Ferienromanze ist zu Ende. Und das sieht dieser Marc wohl ganz genauso. Sei froh, dass er wenigstens so intelligent war und nach dem ersten Malheur verhütet hat. Stell dir bloß mal vor, du hättest als Andenken an Usedom einen dicken Bauch mitgebracht!«
Ich hätte nie gedacht, dass ich Geena einmal wegen ihrer direkten Art wirklich böse sein könnte, aber in dem Moment war ich es. So sehr, dass Marc von da an kein Thema mehr zwischen uns war. Wir redeten noch eine Weile über alles Mögliche, taten so, als ob nichts sei, und dennoch wusste jede von uns, dass das nicht stimmte.
Als Geena am Ende unseres Gesprächs dann auch noch meinte, ich sollte die Sache zwischen Felix und mir wegen meines englischen Loverboys nicht gefährden und ihm am besten nichts davon erzählen, beschloss ich, auf Abstand zu meiner Freundin zu gehen.
Wie sollte das denn funktionieren? Sollte ich einfach so tun, als ob nichts geschehen war? Meine Gefühle für Marc ausknipsen und für Felix wieder anknipsen? Selbst wenn ich das gewollt hätte, es ging einfach nicht.
Felix war mein Freund, Marc war der, den ich liebte. So einfach und gleichzeitig so schwierig war das.
»Teilen wir uns auch die Coke?«, fragte Felix, während er sich eine Riesentüte Popcorn abfüllen ließ.
Ich nickte und er wandte sich wieder der Verkäuferin hinter dem Tresen zu. Ich schaute auf seinen Rücken und schämte mich.
Du musst es ihm sagen, Leni. Er hat es nicht verdient, dass du ihm etwas vorspielst.
Aber nicht jetzt. Jetzt wollte ich den Film genießen und Felix weiter so glücklich sehen. Noch ein wenig die Vertrautheit zwischen uns spüren, das gute Gefühl, das ich immer in seiner Gegenwart hatte.
Und irgendwie dachte ich mir auch, fast schon ein bisschen trotzig, dass nicht nur ich diejenige war, die unsere Beinahe-Liebesbeziehung zerstört hatte, schließlich hielt Felix an seinem Traum von einer Profifußballkarriere fest.
Für Hamburg hatte er sich entschieden, das wusste ich inzwischen, und auch, warum ich ihn tagelang nicht hatte erreichen können. Nur würde er Berlin nicht sofort verlassen und nicht um jeden Preis. Felix hatte bei seinem zweiten Besuch zusammen mit seinem Vater beschlossen, zunächst sein Abitur in Berlin zu machen und erst im Anschluss nach Hamburg zu gehen. Der HSV hatte zugestimmt, und das hieß, dass Felix noch ein Jahr in Berlin bleiben und dann unwiderruflich gehen würde – mit mir oder ohne mich.
Irgendwie empfand ich das als Gleichstand, auch wenn ich Felix da einiges vorenthielt.
Im Saal war es schon dunkel, doch zum Glück hatte der Film noch nicht begonnen. Felix schob mich in die letzte Reihe auf einen der Loveseats. Hier hatten wir schon immer gesessen, selbst als wir nur gute Freunde gewesen waren und von Liebe noch keine Rede war – na ja, zumindest hatten wir das damals gedacht.
»Knutschfilm, Knutschsessel«, raunte Felix mir zu. Dann griff er in die Popcorntüte und stopfte sich den Mund voll.
Ich musste lachen. Obwohl sich mir
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