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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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empfunden.«
    Ich sah ihn an und wusste, dass er es ernst meinte – und dass es mir ganz genauso ging.
    Ich liebte Marc – so sehr, dass es wehtat. Und trotzdem war da noch ein anderes, ein komisches Gefühl. Es rumorte in meinem Magen, in meinem Kopf, sogar in den Knien – überall in meinem Körper. So ein diffuses Gefühl, dass etwas nicht stimmte – nicht rund war.
    Es war dunkel im Zimmer, als ich das nächste Mal die Augen aufschlug. Vorsichtig, damit Marc nicht wach wurde, rollte ich mich seitlich vom Bett und schlich auf Zehenspitzen ins Bad.
    Ich stützte mich auf das Waschbecken, schaute in den Spiegel und erschrak.
    Das Mädchen, das mir da entgegenblickte, kannte ich nicht. Das hellblonde gelockte Haar, das mein blasses Sommersprossengesicht umschloss. Grüne Augen, ohne Glanz. Farblose Lippen.
    Irgendwie fremd. Auf irgendeine Weise abgeklärt.
    Eine ganz andere Leni. Erwachsen geworden – quasi über Nacht. Und dann einfach abgehauen. Der Liebe wegen. Beinahe wie Clara. Am Ende waren wir uns verdammt ähnlich.
    Da hatte sich meine gewissenhafte Mutter all die Jahre solche Mühe gegeben, aus mir ein braves und anständiges Mädchen zu machen, damit am Ende dann doch alles aus mir herausbrach – mein echtes, mein wahres Ich. Rücksichtslos, hemmungslos, vergnügungssüchtig, verantwortungslos, verletzend.
    War ich so?
    Wollte ich so sein?
    Während ich in meinem Spiegelbild nach einer Antwort suchte, sah ich mit einem Mal Tränen. Sie kullerten mir einfach aus den Augen und ich konnte nichts dagegen machen.
    Verwundert betrachtete ich das fremde Gesicht, als sich hinter mir leise die Tür öffnete. Einige Sekunden herrschte völlige Stille in dem engen Raum. Dann stellte Marc sich hinter mich und legte seine Hände auf meine bebenden Schultern. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel.
    »Nicht weinen, Leni. Ich kann es nicht ertragen, wenn du traurig bist.«
    Die Sanftheit, die beinahe kindliche Sorge, die aus seiner Stimme sprach, war mehr, als ich ertragen konnte. Ich schlug die Hände vors Gesicht und gab mich ganz meinem Kummer hin.

W ende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.
(Aus Afrika)
18
    Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne geweckt, deren Strahlen durch das bodentiefe Hotelfenster ins Zimmer fielen. Blinzelnd schlug ich die Augen auf, streckte mich und stellte dann fest, dass ich allein war.
    Gähnend schob ich die Bettdecke zurück und stand auf.
    Vorm Bad machte ich Halt. »Marc?« Ich trommelte mit den Fingerspitzen sacht gegen die Tür. »Bist du da drinnen?«
    Keine Antwort.
    Ich öffnete die Tür. Feuchte Luft stieg mir entgegen. Der Spiegel war beschlagen. Marc musste gerade geduscht haben und er hatte ein ziemliches Chaos hinterlassen. Eines der weißen Hotelhandtücher lag mitten auf dem Boden, ein weiteres zusammengeknüllt auf dem Toilettendeckel. Sein Rasierzeug war auf der schmalen Ablage des Waschbeckens verteilt. Daneben befand sich eine offene Zahnpastatube.
    »Puh«, entwich es mir, während ich mich daranmachte, seine Bartstoppeln im Waschbecken wegzuspülen. »Ordnung sieht anders aus.«
    Als ich sein Rasierzeug weggeräumt hatte und gerade das Handtuch zum Trocknen aufhängen wollte, ging die Hotelzimmertür auf, und Marc kam hereingestürmt.
    »Oh, Leni, du bist schon wach?«
    Ich nickte.
    »Was tust du da?«
    »Aufräumen«, erwiderte ich leicht vorwurfsvoll.
    »Sorry, ähm … aber das musstest du doch nicht. Ich hätte es jetzt gleich gemacht«, versicherte er und trat neben mich.
    »Zu spät, du kleiner Chaot.« Ich streckte ihm im Spiegel die Zunge heraus. Marc spielte den Empörten und griff in seinem Kulturbeutel nach dem Rasierschaum.
    »Das wagst du nicht!« Ich kniff die Augen zusammen und blickte ihn warnend an.
    Marc grinste. Sein typisch überhebliches und gleichzeitig so unwiderstehliches Grinsen. »Wollen wir wetten?«
    »Untersteh dich!« Ich wich einen Schritt zurück. Dennoch erwischte mich die volle Ladung des weißen Schaums.
    »Spinnst du?!«, kreischte ich.
    Ich griff nach dem Erstbesten, was mir in die Finger kam, und warf es ihm an den Kopf. Leider war es nur ein Waschlappen, der wenig Eindruck auf Marc machte, abgesehen davon, dass er sich nun vor Lachen kaum noch halten konnte.
    »Na warte«, drohte ich ihm. »Meine Rache wird schrecklich sein.«
    Im nächsten Moment hatte ich die Duschkabinentür zur Seite geschoben und war hineingehuscht.
    Marc lachte noch immer, selbst als ihn der erste Wasserschwall aus dem

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