Die Tiefen deines Herzens
beschrieben war, hervorzog.
Meine Leni.
Wo soll ich anfangen? Wie kann ich es dir erklären?
Vielleicht so: Ich dachte, wenn wir uns nur fest genug lieben, dann schaffen wir das schon.
Aber ich habe auch schnell begriffen, dass das, was ich für dich empfinde, keine Zukunft hat.
Jamie hat gesagt: Marc, lass deine Finger von Leni. Du bist nicht gut für sie.
Clara hat gemeint: Leni ist noch ein Kind. Tu ihr nicht weh.
Ich kann dir nicht erklären, was bei mir schiefgelaufen ist.
Was so verquer in meinem Kopf ist, dass es mich manchmal zu einem anderen werden lässt.
Es tut mir so leid, ich kann es nicht in Worte fassen.
Ich habe mir geschworen, dir niemals wehzutun. So vielen habe ich wehgetan. Aber niemals wollte ich es zulassen, dass du unter dieser anderen, dieser dunklen Seite an mir leiden musst.
Und dann drehe ich so ab und verschleppe dich in dieses elende Haus. Sperre dich ein. Bringe dich in Lebensgefahr ...
Ich schaffe es nicht mehr. Mir fehlt die Kraft, dagegen anzukämpfen.
Ich bin bei dir in Berlin so plötzlich aufgetaucht, weil ich nicht anders konnte. Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt. Das erste Mal in meinem Leben habe ich geliebt, Leni. So sehr, dass es wehtat.
Ich wusste, ich konnte nur mit dir weiterleben oder gar nicht ...
Immer wieder muss ich an den Abend zurückdenken, als du mir von Sirius erzählt hast. Wir standen vor Claras Pension. Ich wollte dich küssen, noch einmal küssen, aber du wolltest Abstand.
Da hast du deinen Kopf in den Nacken gelegt und mir von diesem hellen Stern am Himmel erzählt.
Ich habe dich gefragt, was sein besonderes Merkmal ist, und du hast gesagt, dass er auffallend hell sei.
Und später haben wir dann gemeinsam herausgefunden, dass er nicht nur sehr hell ist, sondern, dass er auch für uns zwei etwas ganz Besonderes sein kann.
Unser Treffpunkt am Himmel.
Erinnerst du dich?
Wenn du das nächste Mal hinaufschaust, dann wirst du dich vielleicht an mich erinnern. An den guten Marc.
Den du eventuell mochtest – ein wenig lieb hattest?
Der es unter anderen Umständen vielleicht für alle Zeiten in dein Herz geschafft hätte?
Leni, wann immer du magst, dann schau nach oben. Ich bin da.
Wir treffen uns auf Sirius!
Für immer, dein Marc
Langsam faltete ich den Brief zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück.
Meine Tränen brannten wie Feuer, als sie über meine Wangen liefen.
»Du beschissener Volltrottel«, schluchzte ich zitternd. »Du bist für alle Zeiten in meinem Herzen. Das musst du doch gewusst haben!«
In meinem ganzen Leben war ich noch nie so traurig gewesen und gleichzeitig so stinkwütend.
»Du Idiot. Du verdammter Idiot. Warum hast du das nur getan?«
E in Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzens kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast.
(Albert Einstein)
25
Die Hecke war noch immer dicht, obwohl all die anderen Bäume und Büsche längst ihr grünes Kleid abgelegt hatten.
Eine gute Hecke, hatte meine Mutter erst neulich gesagt. Immergrün und pflegeleicht.
Tja, das hatte sich nicht geändert. Meine Mutter war nach wie vor ein praktisch veranlagter, ordentlicher Mensch. Aber inzwischen war ich in der Lage, damit umzugehen. Und sie schaffte es immer öfter, mich so zu lassen, so zu akzeptieren, wie ich nun mal war. Mit all meinen Schwächen und Macken.
Der Sommer lag hinter mir. Der Herbst war gefolgt. Und nun war es Winter geworden. Eisig kalt, aber bislang noch ohne Schnee.
Ich liebte Schnee. Fast so wie das Meer und den Strand.
Als Felix und ich noch klein waren, da hatte uns nichts und niemand bei Schnee ins Haus gekriegt. Egal, wie rot verfroren unsere Nasenspitzen waren. Völlig unwichtig, dass unsere Finger und Füße vor Kälte fast abzusterben drohten. Wir hatten jeden Moment ausgekostet. Stundenlang waren wir gerodelt, hatten Iglus und Schneemänner gebaut und waren auf dem zugefrorenen Teich Schlittschuh gelaufen. Einmal war das Eis noch viel zu dünn gewesen, sodass ich eingebrochen war. Zum Glück in Ufernähe. Das Ganze war mit triefnassen Schuhen und Socken und aufgeweichten Hosenbeinen bis zu den Knien noch glimpflich ausgegangen. Doch an das Donnerwetter, das meine Mutter anschließend über uns ausgeschüttet hatte, erinnerte ich mich noch heute.
Es war eine glückliche Zeit gewesen. Felix und ich gegen den Rest der Welt und immer nur Dummheiten im Kopf, wie meine Mutter behauptet hatte.
Seit dem Sommer hatte ich Felix nur noch selten gesehen, weil er sich
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