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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ungar
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»N a, dann kannst du den Boden ja auch halbwegs trocken wischen.«
    Ich sinke auf die Knie und entferne die Pfütze.
    Endlich setzt sich der Aufzug in Bewegung.
    »W as strickst du da eigentlich?«, frage ich, um die Stimmung zu lockern.
    »E ine Schlinge«, antwortet sie. Den Rest der Fahrt verbringen wir schweigend.

22. Juni 2061, 17:47 Uhr
    Edles für die Ewigkeit, Hauptquartier
    Tribeca, New Beijing (früher New York City)
    D as Sofa quietscht aus Protest, als ich mich setze und auf den Einlassknopf drücke.
    Die gegenüberliegende Wand gleitet zur Seite und gibt den Blick auf den Empfangsbereich von Edles für die Ewigkeit frei. Alles ist hell erleuchtet, dennoch halte ich mich bereit, ehe ich mich in Bewegung setze. Nassim arbeitet zwar am liebsten im Schutze der Dunkelheit, doch ist er auch für gelegentliche Überraschungsangriffe bekannt, die bei voller Beleuchtung stattfinden.
    Doch alles bleibt ruhig, als ich an der Rezeption vorbeigehe. Er muss immer noch mit Abbie beschäftigt sein und den Papierkram für die Operation Helios fertigstellen.
    Weder auf dem Gang noch im Aufenthaltsraum ist irgendein Mensch zu sehen. Dann erinnere ich mich daran, dass Mario was von »K inder einsammeln« gesagt hat und dass die anderen wegen der Müllentsorgung ins Jahr 2059 zurückgereist sind.
    Ich betrete den Schlafraum der Jungs, trete mir die Stiefel von den Füßen, zerre mir die nassen Kleider vom Leib und lasse mich aufs Bett fallen. Der Raum hat zwei Doppelstockbetten. Ich schlafe unten und am nächsten zur Tür. Raoul, ein Nachwuchszeitdieb, liegt über mir. Marios Matratze ist unten auf der anderen Seite. Der Platz über Mario ist seit zwei Wochen unbesetzt. Johan, unser letzter Neuzugang, wird seit seiner Mission ins Italien der Renaissance vermisst. Es geht das Gerücht, dass Johan einen Fluchtversuch unternommen und Onkel ihn 1553 als Straßenmusiker in Florenz entdeckt hat. Danach soll er ihn zur Strafe in die Wüste verbannt haben. Seitdem ist Raoul ohne Partner. Vor Johan war Vlad da und vor Vlad Rudy, der die Angewohnheit hatte, sich nachts aus dem Haus zu stehlen und ziellos durch die Straßen von New Beijing zu streifen. Er hatte stets eine Haarlocke dabei, von der er sagte, sie gehöre seinem Hund. Es gab auch noch andere, deren Namen ich vergessen habe.
    Jedenfalls benutzt Mario den leeren Platz nun als Ablagefläche für seinen gesammelten Schrott. Es sieht ganz so aus, als hätte er sich von all seinen Missionen mit Lydia sowie von seinen Soloeinsätzen Souvenirs mitgebracht. Sollten sie sich je zu einer Flohmarktaktion entschließen, würden die beiden bestimmt ein Riesengeschäft machen. Manche Dinge, wie Marios Münzen und Taschenuhren, nehmen nicht sehr viel Platz weg, doch wenn man die obere Hälfte einer Ritterrüstung aus dem siebzehnten Jahrhundert, einen Neoprenanzug aus dem zwanzigsten Jahrhundert sowie eine fünfhundert Jahre alte Armbrust unterbringen muss, ist so ein Bett im Handumdrehen voll.
    Ich bin müde. Zwei Diebstähle an einem Tag sind ziemlich viel. Natürlich würde Onkel nicht von zwei Diebstählen reden, weil ich mit leeren Händen aus China zurückgekehrt bin. Aber darüber will ich jetzt nicht näher nachdenken.
    Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf, und schon bald habe ich wieder das eine Bild aus Beijing vor Augen – das des Vaters, der seinen kleinen Sohn durch die Luft schwingt. Ich wünschte, ich hätte meinen eigenen Vater gekannt. Onkel zufolge hat mich meine Mutter kurz vor ihrem Tod zur Adoption freigegeben. »D ein Vater hat in dieser Hinsicht nie eine Rolle gespielt, Caleb. Er hat dich und deine Mutter kurz nach deiner Geburt im Stich gelassen«, war alles, was er dazu gesagt hat.
    Lange Zeit dachte ich, Onkel hätte sich die ganze Geschichte meiner Adoption nur ausgedacht, um selbst als Held dazustehen, als derjenige, der mich vor einem Leben auf der Straße bewahrt hat. Aber wenn dies eine Lüge war, dann musste Onkel mich entführt haben. Mich meinen Eltern genauso weggenommen haben wie Mario, wenn er Kinder »e insammelt«. Diese Möglichkeit wäre mir ehrlich gesagt am liebsten. Denn ich will nicht glauben, dass meine Eltern, ob tot oder lebendig, mich loswerden wollten. Einige Male war ich schon drauf und dran, in meine eigene Vergangenheit zu reisen und mein persönliches Schicksal zu ergründen. Doch jedes Mal habe ich im letzten Moment davon Abstand genommen, weil ich fürchtete, die Wahrheit nicht ertragen zu können.
    Ich greife mit der Hand unter

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