Die Time Catcher
zuckt die Schultern. »I ch weiß nicht, was es war. Ich habe es nie zu Gesicht bekommen.«
»A ber du musst doch gewusst haben, was du und Caleb stehlen solltet.«
»E s war ein Traum, Lydia. Die sind nicht immer logisch, wie du weißt.«
»U nd was ist dann passiert?«
»D ann … bin ich aufgewacht.«
Mario meldet sich als Erster zu Wort. »I st doch wohl klar, was der Traum bedeutet: dass Abbie sich nicht auf ihren Diebespartner verlassen kann.« Sein selbstgefälliges Grinsen ist zurückgekehrt.
Abbie wirft ihm einen funkelnden Blick zu. »I ch weiß nicht, wie du darauf kommst, Mario. Schließlich war es Caleb, der mich gerettet hat.«
»A ber du musstest ganz allein zum Gipfel. Außerdem ist der Catch misslungen. Also steht ja wohl fest, dass du dich nicht auf ihn verlassen kannst.«
Ich springe auf. Will ihm wehtun. Ihm sein arrogantes Lächeln austreiben.
»D as war völlig überflüssig, Mario!«, weist ihn Nassim zurecht. »D u solltest jetzt lieber auf dein Zimmer gehen.«
Auch Mario ist auf den Beinen und grinst in seiner typischen Art. Er weiß, dass er mich verunsichert hat. Als er den Raum verlässt, beschleicht mich ein beklemmender Gedanke. Was ist, wenn er recht hat? Wenn Abbie wirklich nicht auf mich zählen kann? Wenn ihr meinetwegen was passiert?
Ich schiebe ihn beiseite. Es war doch nur ein Traum. Aber warum hat sie ihn überhaupt erzählt?
Nachdem die Tische abgeräumt worden sind, bittet Nassim Abbie und mich zu bleiben. Wir lassen uns auf die Couch sinken. Er drückt einen Knopf seines Taschencomputers, worauf ein Wandbildschirm aufleuchtet. Das dreidimensionale Hologramm, das direkt vor dem Bildschirm erscheint, ist zunächst unscharf, ehe es klare Konturen annimmt. Man sieht eine silberne Tür, in die ein Zeichen eingeprägt ist: ein Stundenglas, um das sich eine Schlange windet. Es gibt nur eine einzige Tür wie diese, die Tür zu Onkels Büro. In diesem Moment gleitet sie auf.
»H allo, Abbie und Caleb!«, begrüßt uns Onkel.
Er hockt im Schneidersitz auf dem Boden und trägt einen Hanfu aus roter Seide mit Drachenmuster sowie eine gelbe Schärpe. Ich bin mir sicher, dass er eine größere Sammlung von Umhängen historischer chinesischer Kaiser besitzt als jeder andere in Tribeca, vielleicht sogar in ganz New Beijing.
»I ch freue mich, dass ihr Zeit für mich gefunden habt«, sagt er. »W ahrscheinlich erscheint es ein wenig albern, dass ich auf diese Art mit euch spreche, da ich doch nur die Treppe hinuntergehen müsste, um das von Angesicht zu Angesicht zu tun.«
Kein Kommentar. Albern ist kein Wort, das mir im Zusammenhang mit Onkel einfällt. Berechnend, ja, unbarmherzig, absolut, manchmal sogar liebenswürdig. Doch nie albern.
»I ch hätte auch viel lieber leibhaftig mit euch geredet«, sagt er. »D och leider haben mich meine Verpflichtungen an einen anderen Ort gerufen. Während ihr mich jetzt seht, befinde ich mich in Schanghai.«
Das ging ja schnell. Er muss den Überschallzug von La Guardia genommen haben.
»U nserer Firma stehen große Dinge bevor«, fährt Onkel fort. »A ber darüber will ich jetzt nicht sprechen. Ihr werdet bald selbst herausfinden, was es damit auf sich hat.«
Ich hole tief Luft und lasse sie langsam entweichen. Obwohl er sich nicht im selben Raum befindet wie wir, packt mich wieder die Angst.
»D ieser virtuelle Bürobesuch hat einen bestimmten Grund«, sagt er, »d enn ich will euch etwas zeigen.«
Die Kamera schwenkt durch sein Büro. Wir sehen das Wandgemälde, dann den mit Holz eingefassten Monitor und schließlich das Aquarium. Ich erhasche einen Blick auf Shu Fang – oder ist es Ting Ting? – und frage mich, ob sie in letzter Zeit noch an anderen Handgelenken geknabbert haben.
Onkel schlendert quer durch sein Büro und bleibt neben einem kleinen Tisch stehen, den ich nie zuvor gesehen habe. »D ieser Tisch stammt von einem Handwerker aus der chinesischen Provinz Hunan. Er wurde während der Tang-Dynastie angefertigt und besteht ausschließlich aus Bambus. Ein erlesenes Stück, findet ihr nicht auch?«
»J a, Onkel«, antworte ich. Es ist ein seltsames Gefühl, mit der Figur eines Holo-Films zu reden, doch wer weiß, vielleicht kontrolliert Onkel in diesem Moment höchstpersönlich unsere Reaktionen.
»A ber ein Tisch ist nur ein Tisch, auch wenn er aus der Tang-Dynastie stammt«, fährt er fort. »E r ist nur dazu da, um etwas auf ihm abzustellen, richtig?«
Wir nicken beide.
»U nd ich habe etwas ganz Bestimmtes im
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