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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ungar
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Fingernagel. Ich kann es nicht glauben. Schon 19:12 Uhr. Die Zusatzzeit nicht mitgerechnet, bleiben uns nur noch achtzehn Minuten, um den Auftrag zu vollenden.
    Stimmt, entgegne ich und habe auf Gedankenübertragung umgestellt. Erste Station: der Sicherungskasten.
    Sie strafft ihre Schultern, salutiert und sagt: »O ui, mon capitaine!«
    Wir bahnen uns den Weg zum hintersten Winkel des Pavillons, wo sich unseren Unterlagen zufolge der Sicherungskasten befindet. Und tatsächlich entdecken wir ihn auf der Rückseite eines Exponats mit dem Titel »D es Kaisers neue Kleider«. Er befindet sich in Augenhöhe, etwa einen halben Meter hinter einem lebensgroßen Duplikat eines Herrschers der Sung-Dynastie, der einen leuchtend gelben Hanfu trägt. Ich schiebe mich zwischen die Mauer und den Kaiser, der unserem Vorhaben sehr entgegenkommt, weil er mich vor neugierigen Blicken schützt. Den Rest erledigt Abbie, die mir den Rücken zugekehrt hat.
    Ich strecke meine Hand aus und stupse sie sanft an. Sie greift in ihre Tasche, zieht einen dünnen Draht heraus und gibt ihn mir. Ich flüstere »m erci« und führe den Draht in das Schlüsselloch des Sicherungskastens ein. Nachdem ich ihn ein paar Mal sanft hin und her bewegt habe, schwingt die schmale Tür auf. Mir genügt ein Blick, um mich zu vergewissern, dass es sich um ganz normale Sicherungen handelt, jedenfalls was den Standard der 60er-Jahre betrifft. Es sind insgesamt sechzehn Schalter, die für Heizung, Klimaanlage und Elektrizität des Chinesischen Pavillons zuständig sind. Doch bin ich vor allem am Licht interessiert. Es wird mittels einer Zeitschaltung geregelt und stellt sich eine Stunde nach Schließung des Pavillons selbstständig ab.
    Ich stupse Abbie erneut an, und diesmal reicht sie mir zwei kleine Gegenstände, die wie Erdnüsse aussehen, einen roten und einen grünen. Aber die sind nicht zum essen da. Den grünen, eine Fernsteuerung, lasse ich in meine Tasche gleiten. Der Zweite verfügt über einen Mikrosensor, der den Zeitmechanismus des Pavillons außer Kraft setzt. Sobald seine magnetische Oberfläche auf dem Schalter sitzt, habe ich die Beleuchtung des Pavillons unter Kontrolle.
    In diesem Moment flüstert Abbie: »S törobjekt, 180 Grad.«
    Ich schließe meine Hand um den Sensor, drücke die Tür des Sicherungskastens zu, und als ich mich umdrehe, erblicke ich einen stämmigen Mann, der, eine Rolleiflexkamera vor dem Bauch, den Kaiser bewundert.
    »S chau dir das an«, sagt er. »D en könnte man glatt für lebendig halten.«
    »J a, absolut«, stimmt Abbie ihm unbeschwert zu. »A m Anfang hatte ich Angst, dass er plötzlich niesen muss, wenn ich unter ihm stehe.«
    Clever.
    Der Mann lacht so sehr, dass seine Kamera hin und her hüpft.
    »K omm, Robert«, sagt sie zu mir. »L ass uns den Rest der Ausstellung angucken.«
    Lächelnd setzen wir uns in Bewegung. Doch schon nach wenigen Schritten bleibt sie vor einem Schaukasten stehen, um einen purpurroten Hanfu mit Phoenixmuster zu bewundern.
    »D er würde mir bestimmt super stehen, meinst du nicht auch?«
    Ich höre ihr nur mit einem Ohr zu. Meine Aufmerksamkeit richtet sich immer noch auf den Kaiser in meinem Rücken.
    Dort hat der stämmige Mann Gesellschaft von einer zierlichen Frau mit ausladender Frisur bekommen, die nachdenklich die Stirn runzelt. Ihren identischen blauweißen Freizeittaschen nach zu urteilen, sind die beiden wohl ein Paar.
    Starr nicht so dahin!, gibt mir Abbie per Gedankenübertragung zu verstehen, das fällt viel zu sehr auf.
    Ich drehe meinen Kopf so weit zur Seite, dass ich die beiden nur noch aus dem Augenwinkel beobachte.
    »L iebes«, sagt der Mann und tritt ein paar Schritte zurück, »s tell dich mal neben diesen Kaiser da und leg den Arm um ihn oder so was. Tue so, als würdest du ihm helfen, die Welt zu regieren.«
    Sie schlurft neben die große Figur. Keiner der beiden lächelt.
    Mir steht der Schweiß auf der Stirn.
    Es ist 19:25 Uhr, teilen ihr meine Gedanken mit. Wenn die nicht bald abhauen, müssen wir uns irgendwas überlegen.
    Weiß schon, entgegnet sie. Wir geben ihnen noch eine Minute.
    »G eh ein bisschen näher ran, Louise. Gut. Den Kopf ein bisschen zur Seite … perfekt. Und Cheeeeese … das war’s. Ach komm, wir machen noch eins.«
    Ich kontrolliere meine Atmung. Versuche, ganz ruhig zu bleiben.
    »S idney Halpern!«, empört sich Louise. »I ch werde es nicht zulassen, dass ich wegen dir meine Gymnastikgruppe versäume.« Sie greift nach seinem Arm und

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