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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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rieche und dann behaupte ich, dass ich mich nicht liebe, dabei liebe ich mich, ja.
    Holger füllt alle meine Formulare aus, und dann gehen wir frühstücken. Das Café ist nicht sehr voll, aber voll genug, dass an unserem Tisch ein anderes Liebespaar sitzt. Kann sein, es ist kein Liebespaar und der dicke Mann und die dicke Frau haben nur eine Affäre. Sie sehen nicht aus wie die Menschen, die Affären haben. Als ich das dritte Mal zum Büfett gehe, hole ich nur noch Obst, weil ich schon satt bin. Obst ist wichtig. Holger kuckt mir zu, wie ich esse. Er behauptet, dass ich schön esse, im Gegensatz zu ihm. Da hat er Recht. Er frisst wie ein wilder Wolf. Deshalb bin ich damals mit ihm ins Bett gegangen und habe mich verliebt, aber dann hat er Liebe gemacht wie ein Lamm, weich. Geblökt hat er. Ich nenne ihn Holle, weil er meine Betten aufschüttelt. Holger will darüber reden, wie es mit uns weitergehen soll. «Wie weitergehen?», sage ich. Ihm knicken die Augen weg, wie hinterrücks angeschossen.
    Ich rede schnell weiter: «Nicht, wieso weitergehen … also nicht wieso, sondern wieso wieso? Wieso fragst du, meine ich. Ist doch alles in Ordnung. Du liebst mich. Ich lieb dich.» Ich zucke die Achseln. Holger atmet große Mengen aus. An den Nachbartisch setzen sich zwei Männer, die ich nicht ansehen mag. Sie gefallen mir nicht. Sie falten riesengroße Zeitungen auf und halten sie vors Gesicht. Ich muss sie nicht ansehen. Ich bin satt.
    «Komm, wir gehen», sage ich zu meinem lieben Holle und fasse in sein Nackenhaar. Er lässt seit Monaten seine Haare wachsen. Sein Haar ist dicht und braun. Es gefällt mir. Holger bezahlt, umständlich. Dann braucht er ewig, um seine Geldbörse wegzustecken, und ich ahne, dass er noch über etwas reden will. Er will gar nicht gehen, und wenn, dann mit mir mit. «Wollen wir noch auf den Weihnachtsmarkt?», frage ich. Also fahren wir nach Spandau. Auf der Fahrt lasse ich ihn reden, was er will, seine Arbeit und dann seine Band. Auf dem Weihnachtsmarkt essen wir klebriges Zeug und halten uns an den Handschuhen. Holger ist mein bester Freund. Er denkt, er ist etwas anderes von mir. Jeder denkt, er wäre etwas anderes von mir. Dabei bin ich einfach wer anders. In der Mitte des Weihnachtsmarktes ist eine Krippe aufgebaut, mit echten Schafen und einem Esel. Das müffelt! Die Kinder werfen mit zusammengeknüllten Pappbechern nach den Tieren. In der Wiege liegt ein Holzjesus, auf seinem Gesicht ein paar Pommes. Ein Schaf frisst die Pommes aus der Wiege. Wir lachen darüber. Mir tut beim Lachen der Bauch weh. Ich bekomme von Peter Muskelkater, weil ich mich ihm beim Sex entgegenstemme.
    Wieder im Auto hat Holger so einen Ausdruck um den Mund, macht den Mund aber nicht auf.
    «Ich habe meine Tage», sage ich, und er ärgert sich darüber. «Es war ein Witz!»
    Er ärgert sich trotzdem. Anscheinend ging es genau darum, denn er sagt die restliche Fahrt nichts. Er singt jedes Lied im Radio mit. Er singt immer die Gitarre mit und nicht den Gesang. Vor dem Haus muss ich weinen. Er nimmt mich in den Arm und wartet, bis ich fertig bin. Er küsst meine Stirn und sagt, dass alles in Ordnung ist, weil wir ehrlich zueinander sind. Ich vermisse Peter, werde ihn sehr vermissen, wenn er so lange weg ist. Weg ist alles, was einen Vogelwurf entfernt ist, weit weg.
    Ich soll mich nicht ärgern, dass er manchmal aufdringlich ist, sagt Holger. «Liebst du mich?», frage ich ihn, und er sagt nicht «Nee». Mir geht es gut.

sechs
    Ich weiche in der Badewanne: weil ich ganz einfach ausweiche. Den Kindern und der Kälte. Ich wasche mich und werde wieder schmutzig. Ich fahre einen Berg hinunter und der Sessellift zieht mich, husch husch, wieder hinauf. Meine Bartstoppeln wachsen nach, mein Schwanz wird hart. Ich wichse hier oft, und das ist kein Wichserlatein. Sylvia ruft jeden Abend an, um zu erfahren, wie es den Kindern geht. «Gut!», sage ich. Dann will sie die Kinder sprechen und fragt beide, wie es mir geht. «Gut!», sagen die. Einmal gesammeltes Wissen über Papa für Dreihundert. Wie geht es ihm? Gut! Nötnöt. Die Fehlerlampe blinkt auf. Falsch! 170 Strafpunkte. Papa raucht sich weg. In der Badewanne rauchen kommt mir immer asozial vor. Ich sehe vor mir, in einem Krimi-Schwarz-Weiß, dass ich einschlafe und die Kippe aus meinem Mund fällt und zischend im Badewasser ausgeht. Ich bin der verranzte Ermittler, kurz vor der Pleite, mit einer Visitenkarte, auf der eine Pistole abgebildet ist. Der Ermittler hat wenig

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