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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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Scheidungsgrund, wenn man mit mir verheiratet ist. Andererseits kann jeder Mensch auf dieser Welt ein Scheidungsgrund sein, auch der Papst, gerade der Papst. Ich denke nicht an Heike. Ich bin darüber hinweg, so weit über den Berg, dass es nur noch abwärts geht. Ich habe viele Häute, habe mir eine nach der anderen angezogen und aushärten lassen. Ich bin eine Panzerzwiebel. Meine Kanone richte ich nur noch auf Spatzen, auf junge Mädchen. Das Mädchen heißt Tanja und sie sagt, sie liebt mich und es ging mir nicht mal hier rein und da raus (stell dir vor, Anton, wir sitzen uns in einer Kneipe gegenüber und ich zeige erst auf mein rechtes Ohr und dann auf mein linkes). Es ging gar nicht rein. Nichts geht mehr rein. Nichts geht mehr. Ich gehe zur Arbeit, auf Klo, kaputt. Rien ne va plus. Setzen Sie bitte auf ein anderes Pferd, dieses geht bald freiwillig zum Schlachter. Ich will von vorne anfangen.

    Ach du heilige dreifaltige Scheiße. Ich will von vorne anfangen. Und das mache ich auch. Ich lösche die E-Mail, damit Anton nicht die Seelsorger auf mich hetzt. Ich habe mich ein bisschen in Lebensmodder verirrt.
    Lieber Anton, tippe ich erneut.
    Ich habe mich lange nicht gemeldet, aber jetzt. Ich hatte viel zu tun, du sicherlich auch. Lass es uns dieses Jahr hinbekommen uns zu treffen, du kommst nach Berlin oder ich nach Kiel. Mein Urlaub mit den Kindern war schön. Ich hatte letztes Jahr im Dezember das Meerschweinchen meiner Tochter in Pflege und habe es für die Zeit Anton genannt. Meine Tochter hat mir später erzählt, dass das Meerschwein eine Meersau ist. Ich hoffe, dass es kein Voodoomeerschwein ist und du inzwischen eine Frau. Und wenn dem so ist, melde dich und lass uns heiraten. Ich werde gut zu dir sein. Ich wünsche dir ein schönes neues Jahr.
    Dein Peter.

    Morgens sage ich zu Peter «Guten Morgen», und dass ich jetzt arbeiten gehe. Er ist nicht sehr begeistert, gar nicht. Er sagt nicht, was er machen wollte, aber das wäre mir egal, total. Ich hätte gerne etwas mit ihm gemacht, unternommen. Wir haben noch nie zusammen in einem öffentlichen Verkehrsmittel gesessen. Ich könnte ihn fragen, ob er diese oder jene Frau hübsch findet und warum? Warum er sich hinsetzt für die zwei Stationen? Welchem der beiden Elternteile, die uns gegenüber sitzen, das Kind ähnlicher sieht, das sich mit der einen Hand festhaltend um die Haltestange dreht? Ich kann mich erinnern, dass das besser ist als Drogen nehmen. Ich mache das nicht mehr, Drogen nehmen. Ob er Drogen genommen hat? Ich trinke auch keinen Alkohol mehr, nie. Und um eine Haltestange habe ich mich auch lange nicht mehr gedreht. Ob er das auch gemacht hat? Ich mache jetzt anderes. Ob ihm schon einmal aufgefallen ist, dass ich schmale Hände habe?
    Ich habe jetzt einen Putzjob. Peter und ich verlassen zusammen das Haus. Unten auf der Straße fragt er mich, ob ich den Nebenverdienst beim Sozialamt gemeldet habe.
    «Ich habe es dir doch erzählt», sage ich.
    Er regt sich auf, und das habe ich noch nie bei ihm erlebt. Ich finde es toll, Wahnsinn. Er küsst mich auf die Wange, nur auf die Wange und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen, nicht einmal, nein, gar nicht. Er geht zu einem Auto. Das ist seins.
    Bis ich in Potsdam bei der Familie Giese bin, denke ich darüber nach, was alle zu mir sagen. Peter sagt, ich würde schwarzarbeiten. Holger sagt, ich solle ihm immer alle Formulare zum Ausfüllen geben. Ich unterschreibe dann mit meinem Namen und lasse die Formulare zu Hause liegen, bis Holger sie sieht und mitnimmt und abschickt, weg. Er klebt Briefmarken drauf. Frank sagt, ich solle nicht ständig in alle möglichen Vereine eintreten und dann den Beitrag nicht bezahlen. Aber Holger sagt, ich solle keine Einzugsermächtigung unterschreiben, weil ich dann den Überblick über mein Geld verliere. Außerdem mag ich Mahnungen, da steht: «Sehr geehrte Frau Jannsen!» drüber. Und dazu sind Mahnungen auch da, dass sie mich daran erinnern, Holger daran zu erinnern. Frank gibt mir Geld für die Vereine, und ich lasse meine voll geknipsten Filme endlich entwickeln, auf denen Mario ist, der sagt, ich solle nicht ständig Fahrräder klauen. Aber mir werden ständig Fahrräder geklaut. Mario hat mir ein Fahrradschloss geschenkt, und es wurde aufgebrochen, ja. Holger sagt, ich solle meine Verhältnisse klären und meint, ich solle mich für ihn entscheiden, nein. Ob Peter Recht hat, wenn er meint, ich würde schwarzarbeiten? Ina hat darüber nichts gesagt, nur die

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