Die Titanic und Herr Berg
«Und du?», frage ich.
«Ich kann immer kommen, später.»
Ich werd verrückt, später sagt er, noch weiter, noch mehr. Ich lache. Was habe ich für Mädchen geliebt bis jetzt? Mein Mann. Ich werd verrückt. Er fragt mich, wo ein Kondom ist. Ich habe sie extra in der Nähe vom Bett. Ich recke mich über ihn, und er streckt seine Zunge nach meiner Achselhöhle. Er macht das mit dem Kondom alleine, weil ich seinen Schwanz zu viel angefasst habe und nicht das Kondom anfassen soll. Er passt auf, sehr. Das wird schwer. Er soll mir vertrauen, sonst wird das schwer, sehr. Ich will wieder ein Kind. Er schiebt meine Beine auseinander, als ob er aufräumt, und dreht mich um seinen Schwanz herum in jede Stellung. Sein Schwanz ist die Achse, ich rotiere. Ich bekomme Halsschmerzen vom Schreien. Ich sehe nur noch, wie die Decke wackelt, ich wackel, weil er wackelt. Auf seiner Stirn rollt ein Schweißtropfen vor und zurück, bis er abfällt, in mein Gesicht fällt. Und dann fällt sein ganzer Körper auf mich. Er ist wieder da, und obwohl ich ihn vermisst habe wie auf Entzug, werde ich ihn ab heute viel stärker vermissen, wenn er nicht da ist, und ich werde ihn viel stärker lieben und wollen, wenn er da ist. Er ist da. Ich bin begeistert, dass seine Brusthaare überall auf meinem Oberkörper kleben, da schläft er schon.
neun
Lieber Anton! Guten Tag auch!
Ich habe mich lange nicht bei dir gemeldet, so lange wie du dich nicht bei mir, da herrscht Gleichstand, Freiheit, Brüderlichkeit. Wie es mir geht, kann ich nicht genau sagen, müsste ich auch gar nicht, weil du nicht gefragt hast. Ich verrate es dir trotzdem. Also wie gehts der maroden Bauruine? Okay, ein Rätsel: Es hat keine Farbe, keinen Klang, es hängt an der Wand und wenn es runter fällt ist es kaputt. Kommst du nicht drauf? Nee? Na, ich! Ich! Ich gebe mir wirklich Mühe, nur um dir zu beschreiben, dass ich innen gefrorener Schlamm bin und von außen wie ein Mann aussehe, der durchaus normal ist. Ich bin der Mann, der die Statistiken füllt: Arbeitnehmer, geschieden, zwei Kinder, Single mit Affäre, FAZ-Leser, ratzfatz ist das Leben weg. Na, wo ist es denn nur? Wo ist es denn nur? Gerade war es doch noch da! Das letzte Jahr war das schnellste Jahr meines Lebens, nur aus vier Monaten bestehend. Eine geraste Angelegenheit und ich frage dich, mein Anton-po-Panton, ging es dir auch so? War das Jahr Betrug am Lebenden oder liegt es an mir? Bin ich hinüber? Liegt es daran, dass ich alles, was ich tue, so nebenbei tue, so aus dem ff, aus dem aa oder kk? Ich erledige alles mit geschlossenen Sinnen, so dass ich schon drei Minuten später nicht mehr weiß, ob ich gerade geraucht habe, ob ich aufgestanden bin, ob ich was gefühlt habe und ob ich noch existiere. Ich merke mir keine Gesichter, keine Ärsche, niemand. War ich dabei, als ich gedacht habe? Hab ich was gedacht? Hab ich gestern gewichst oder nur davon geträumt? War es schön? Und was habe ich das ganze letzte Jahr getrieben, womit habe ich die Zeit herumgebracht, die mir jetzt in der Erinnerung fehlt? Habe ich überhaupt versucht, ein Hobby zu haben? Musste ich wirklich jeden Boxkampf im Fernsehen ansehen, vor allem, wie sich die Prominenten aufs Maul geben, immer feste? Warum gab es keine Feste zu feiern? Wo war ich, wenn andere gelacht haben? Warum bin ich wie ein Köter und mir kommt Lachen wie Zähnefletschen vor? Musste ich wirklich jede Kriegsreportage ansehen, jeden Bericht über Menschen in Ländern, in denen ich nicht war, in die ich auch nicht will? Und wenn ich die Augen schließe, weiß ich auch nicht mehr, wo ich bin. Es riecht nach Amt, nach Freitag, nach Mittagspause und ich bin tatsächlich auf Arbeit. Gute Nase, immerhin das. Und mein Mund schmeckt, als hätte ich heute schon wieder zu viel geraucht.
Zu Hause stelle ich den Aschenbecher immer auf den Balkon und die Meisen werfen ihn um, weil sie sich auf den Rand setzen, um in den Ascher zu äugen. Jeden Tag wieder. Es ist schon scheiße mit so einem kleinen Gehirn.
Ich könnte mit dem Rauchen jederzeit nicht aufhören. Ich möchte lieber etwas anfangen. Ich habe etwas mit einer sehr jungen Frau angefangen, aber es ist auch schon wieder vorbei, ich muss es ihr morgen nur noch sagen. Heike habe ich im letzten Jahr zweimal gesehen. Manchmal weiß ich wieder, wie sie aussieht. Heike ist kein Thema. Ich will nicht an Heike denken. Wenn sie meint, ich sei kein Scheidungsgrund, dann muss ich ihr in dem Fall Recht geben. Ich bin nur ein
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