Die Titanic und Herr Berg
den Schuhschrank, Jacke an den Haken, Mütze auf die Ablage. Ich bewege mich langsamer, weil ich hier keine Bewegungen habe, die ich immer mache. Das wird sich ändern. Ich ziehe meine Jacke aus wie immer, nehme den Schal ab wie immer und mache dann nach, was er gemacht hat: Schuhe in den Schuhschrank, Jacke an den Haken, auf seine Jacke drauf, Schal auf die Ablage, auf seine Mütze drauf. Peter geht sofort ins Bad, ohne eine Erklärung, aber ich höre was er macht und kann mich umsehen, während er duscht.
Die Wohnung ist groß. Die Dielen knarren, aber er duscht laut. Er kann sicher nicht hören, dass ich herumlaufe und mich umsehe. Er hat es ja auch nicht verboten, also erlaubt. In seinem Schlafzimmer ist nicht nur eine riesige Matratze, wie ich es mir immer vorgestellt habe, sondern ein richtiges Bett. Außerdem hat er einen offenen Schrank. Im Schrank sind Jeans und dunkle Hemden, auch helle Hemden, aber nur dunkle Jeans. Über der Schranktür hängen Krawatten. Der Schrank ist also immer offen. Die Krawatten sind gemustert ohne Tierfiguren, schön. Er hat noch nicht seine Midlife-Crisis. Auf dem Bett liegen ein Handtuch und eine Überdecke, und bald ich und er auf mir. Ich gehe in die Stube, an der Badetür vorbei. Er duscht immer noch. Er bereitet sich auf mich vor.
In der Stube hängen keine Bilder, aber er hat ein Aquarium mit drei großen Fischen und ein paar kleinen, die sich gegenseitig nicht beachten und die Pflanzen anstupsen. Eine Pumpe macht Luftblasen ins Wasser, ein schönes Geräusch. Das hätte ich schon mal im Hintergrund hören können, wenn wir telefoniert haben, habe ich aber nicht, nie. Ich setze mich auf das Sofa, blau und neu und lege meine Füße auf den Sessel, blau und neu. Er hat eine Palme, nur eine. Es riecht nach ihm, als wäre ich in ihm. Er hat ein Aquarium in sich, mit Fischen. Sein Teppich ist rund und schwarz. Er ist wahrscheinlich einfach ein Mann mit einem runden Teppich, und ich sitze nur hier. Ich wäre auch gern Cocktails trinken gegangen. Es gibt ja auch Cocktails ohne Alkohol. Wahrscheinlich ist er einfach ein Mann mit einem Aquarium, mit einer Pumpe, ein Mann, der seine Aschenbecher erst ausleert, wenn alle drei voll sind. Ein Aschenbecher steht neben dem Telefon. Er raucht viel beim Telefonieren, aber mit wem telefoniert er? Er ist einfach nur ein Mann, meiner zwar, aber irgendeiner. Ein Mann, der eine Mütze hat, die ihm nicht steht, der sich duscht, der seinen Schrank offen lässt, der seine Bücher auf den Fernseher legt. Ein Mann, der einen Fernseher hat, einen Schuhschrank, ein schwarzes Auto, der seine Heizung auf vier stellt und einen Apfelgriebsch auf die Fernbedienung des Videorecorders legt, damit der Tisch nicht schmutzig wird. Er isst Äpfel. In einer Schale liegen noch vier, und ich esse einen davon. Er duscht nicht mehr, er rasiert sich. Kann sein, er ist einfach ein Mann, der Fettabdrücke an Gläsern hinterlässt, wenn er trinkt. Auf dem Tisch liegen drei Fernbedienungen nebeneinander und daneben steht ein dreckiges Glas. In dem Glas ist ein Rest Milch. Ein Mann, der Milch trinkt, der nicht austrinkt, der ein Regal hat, in dem Fotos von Kleinkindern stehen, der irgendwo auch eine Küche haben muss.
Die Küche ist direkt neben der Stube, es ist eine Einbauküche, und alles ist hinter Schranktüren. Ich will nicht in den Kühlschrank kucken. Wahrscheinlich ist er ein Mann, der einfach nur Bier und Eier im Kühlschrank hat, nur Bier und Eier und nichts weiter. Ich werfe den Apfelgriebsch in einen Mülleimer, der auch hinter einer Tür ist. Ich muss vorher mehrere andere Türen aufmachen. Im Mülleimer liegt Müll. Ich gehe wieder in die Stube und setze mich aufs Sofa, nicht auf den Sessel, weil er sich dann nicht zu mir setzen kann, komm her. Über dem Sofa hängt eine Kinderzeichnung, er ist ein Mann, der Kinder hat, mit dem ich Kinder haben will, der jetzt aus dem Bad kommt, nackt. Er geht ins Schlafzimmer und kommt mit dem Handtuch wieder, das auf dem Bett lag. Er trocknet seine Brust. Er ist einfach ein Mann, der in der Türschwelle steht, sich die Brust abtrocknet und dann die Eier. Er hat herausstehende Beckenknochen, wie Griffe, an denen ich mich festhalten kann. Er fragt mich, ob ich mich gelangweilt habe.
«Nein!», sage ich. «Nein!» Das Aquarium blubbert und ich lächle ihn an, den Mann, der eine Einbauküche hat, einen in der Höhe verstellbaren Tisch, eine Palme, und der zu mir kommt, das Handtuch nicht um die Hüften gewickelt, sondern um
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