Die Titanic und Herr Berg
die Brust, wie ein Kleid. Er setzt sich zu mir und fragt mich, ob es mir bei ihm gefällt und wenn nicht, wäre auch nicht schlimm. Seine Haare sind nass und er hat sich mit etwas eingesprüht. Er riecht wie sonst, aber sehr stark. Mir wird flau. Ich sage, dass mir seine Wohnung gefällt und dann wird mir schlecht, plötzlich, und ich renne ins Bad, schnell, das habe ich sowieso noch nicht gesehen, nein. Badewannenvorleger, Duschvorhang, Bademantel, Klodeckel. Ich klappe den Klodeckel hoch und hocke mich vors Klo. Es geht sehr schnell. Im Klo hängt eine Spinne in der Luft, in Wahrheit in ihrem Netz, aber das sehe ich nicht. Mein erster Schwall trifft sie sofort, weg. Ich muss noch ein paar Mal würgen. Ich gebe wieder von mir, was ich ungefragt genommen habe, einen Apfel, und dann spüle ich, weg. Ich spüle auch noch meinen Mund aus, wasche meine Hände, lächle mich im Spiegel an. Sein Spiegel ist verdreckt, als ob er jeden Morgen dagegen spuckt. Er ist wahrscheinlich einfach nur ein Mann, der eine elektrische Zahnbürste hat, eine Niveacremedose, Zahnseide, und der jeden Morgen an den Spiegel spuckt, wie süß. Das überschwappt mich, liebe ihn.
vierzehn
Juchhu, ich habe Geburtstag. Ich stehe ganz früh auf und renne zum Geschenketisch. Da ich mir gestern Abend keinen bereitet habe, gibt es keinen. Oh, schade. Nu stehe ich bedeppert in der Stube mit dem Teddy im Arm. Teddy, alle haben meinen Geburtstag vergessen. Auf dem Geschenketisch liegt kein Geschenk, kein Asterixheft, kein Playmobilkran und kein neuer Ranzen – drei Dinge braucht der Mann. Ich freu mich so, so unbeschreiblich, fast gar nicht, überhaupt nicht. Auf dem Stubentisch liegen Zeitungen, Fernbedienungen, Aschenbecher – das kommt doch den drei Dingen, die der Mann braucht, schon näher.
Es führt kein Weg daran vorbei, ich muss mir im Bad begegnen. Morgen Peter, Morgen Handtuch, Morgen Latte, Morgen Jim-Bob, Morgen John Boy. Tja, 43, so zusammengefaltet sah ich noch nie aus. Ich gleiche einem Fallschirm im Rucksack. Ob ich aufgehen werde? Ich bin so aufgeregt, fast gar nicht. Zum 43sten bekommt man Postkarten, auf denen Schildkröten mit einem Krückstock abgebildet sind, es geht ums Über-die-Straße-Helfen und Lesebrillen. Ich brauche unbedingt Luftballons, mit Lachgas gefüllt, nicht mit Tränengas, sonst wirds kein lustiger Tag. Und dann knote ich aus den Luftballons einen Pudel und eine Prostata.
Ich ziehe meine Haut glatt zum Rasieren, bald kann ich ein Zopfgummi um mein Kinn knoten. Nach dem Glattrasieren könnte ich glatt für 42 durchgehen. Letztes Jahr vorm Spiegel fiel mir auf, dass ich mal andersrum 42 war, also 24. Da war ich frisch bis über beide Ohren verheiratet. Sylvia hat mich über die Schwelle getragen. So kanns gehen, acht Jahre später sagt man der Verwandtschaft: Wir – hüstel, hüstel – haben uns – kratz, kratz – auseinander gelebt, nicht zusammengepasst, zu früh geheiratet. So a Schmarrn! Man passt nie zusammen. Jeder ist allein unterwegs von A nach B. A – geboren am 3. April, als Peter Heinold Berg, knapp am Aprilscherz vorbei. Das hätte mir noch gefehlt, jedes Jahr denselben Witz hören, wegen Aprilscherz, den sich meine Eltern erlaubt haben, überaus komisch. Es hat schon gereicht, dass mir früher oder später jede Frau den schwarzen Peter zuschob. Ich war schuld am Scheitern unseres Versuchs, zu zweit nach B zu kommen, weil ich «zu» wäre, anstatt «auf», als wäre ich ein Ramschladen. Respekt, Weiblichkeit dieser Welt, dass ihr die Opfer seid, wenn ihr einen neuen Mann kennen lernt, der Geige spielt und darum wahrscheinlich «auf» ist, anstatt «zu». Und dann seid ihr trotzdem die Opfer, wenn euch der Geigenspieler mit seinen sensiblen Fingerchen die verspannten, noch verheirateten Muskeln massiert. Respekt für eure Spitzfindigkeit. Ihr seid spitz und findet jemand, der dafür offen ist, und ich muss nur noch unterschreiben, dass ich meinen Namen allein behalten darf. Nimm die Kinder, sie haben eh nur mit Fingerfarben Dreck gemacht, mir Blumen ins Herz gemalt, das kriegt man ja nie wieder weg. Respekt, dass ihr die Opfer seid, da zieh ich meine Vorhaut vor. Da stehta, da Peta! In dem Moment klingelt das Telefon. Da will wer was von mir, kann sein ein Gratulant, was bin ich gespannt, aber richtig der Flitzebogen. Das kann doch nur … und richtig … «Hallo Peter!», … sagt mein Vater so förmlich wie es geht, ohne dass er schriftlich spricht. «Hallo Vater!», sage ich und beobachte, wie
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