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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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mir Sachen, die mich mit dem Gefühl allein lassen, ich wäre normal und von außen bin ich es vielleicht auch, mein Sozialtourette geht ja nur innen zur Sache, Schätzchen. Ich bekomme eine Luftpumpe, weil ich mir schon länger mal ein Fahrrad anschaffen wollte. Ich bekomme Fahrradventile, aus demselben Grund und ich bekomme einen guten Weißwein. Sie hätte mir auch ein Bild malen können. Als ich Linda umarme, klingelt wieder das Telefon. Vater kanns nicht sein, Sebastian auch nicht, Anton nicht und Linda kann auch nicht mehr absagen. Sie ist ja da. Es ist Heike, und ich kann in der Panik nur sagen, dass sie später anrufen soll, weil ich jetzt mit meiner Tochter essen gehe. Meine Tochter schaut etwas neugierig. Sie hat Heike damals kennen gelernt und fand sie nett. Ich fand Heike auch nett. Ich bin ernsthaft verwirrt, aber auch hungrig. Hunger ist doch ein gutes Gefühl, klar und deutlich und ich weiß, wie man es wieder wegbekommt. Ich gehe essen und die Verwirrung bleibt.

    Heute ist ein komischer Tag, nicht nur weil der Frühling Kraft bekommt und zum großen Schlag ausholt. Alle scheinen die Luft anzuhalten, um sie nicht wegzuatmen, weil sie mild ist. Es ist ein ungeduldiger Tag. Ich würde gerne Blumen für fünf Euro kaufen, aber ich muss meine Miete bezahlen und danach ist mein Plus ein Minus, ja. Ich habe mich beim Befriedigen wieder aufgenommen, und als der Nachbar Abba gehört hat, laut, habe ich die Aufnahmen von mir abgespielt, laut. Das klang, als wäre Peter da, mein Peter. Das hat mich erregt, und ich habe es mir nochmal gemacht. Danach schwellen meine Schamlippen an, wie Luftballons, die Mütter ihren Kindern nicht kaufen wollen, lieber ein Eis. Ich kann es mir nicht weiter machen, bei Peter ist besetzt, ich rufe Ina an.
    Ich will Ina von den schönen Momenten mit Peter erzählen, aber Ina will wissen, wie es vorwärts geht. Ich sage, dass ich nirgendwohin gehe, sondern da bin, wo ich sein will, wenn ich bei ihm bin.
    «Naja, Stück für Stück» sagt Ina.
    Das erinnert mich an den Satz, den Katrin immer sagt, um mich zu locken, der mit den langsam gegangenen Schritten, die richtig gegangene Schritte sind. Das sagt Katrin, damit ich einen weiten Weg gehe, Schulabschluss, Ausbildung, Tochter und noch verrückter.
    «Nein!», sage ich zu Ina, weil ich es nicht zu Katrin sagen kann. «Und du warst alleine in seiner Wohnung? Wird doch!», findet Ina.
    Ich will schon wieder «Nein» sagen, weil es nicht wird, sondern ist. Ich sage gar nichts und mache mit meinen fettigen Fingern auf der schwarz lackierten Tischplatte Vierecke, die ich nur im Gegenlicht sehen kann. Ich bin immer noch nackt, und als mein Finger als Fettstift alle ist, kann ich von überall auf meiner Haut Fett aufsammeln und dann Dreiecke machen.
    «Gesine sagt …», sagt Ina, «… dass Peter das Glück nicht erkennt, wenn es ihm in die Nase beißt.»
    Ich sage: «Ich beiße ihm nie in die Nase.»
    «Solltest du mal!» Ina schreit. Ina wohnt seit Jahren in einem Haus in Mitte, auf das im Krieg sehr geschossen wurde. Um ihr Schlafzimmerfenster sind überall runde Löcher im Stein. Deshalb schreit sie in Gesprächen immer. Sie ruft etwas durch den Kugelhagel.
    «Gesine sagt …», sagt Ina, «… dass ihm mal jemand sagen müsste, dass er glücklich ist. Er scheint das ja gar nicht zu merken. Gesine sagt, du müsstest einen Freund von ihm für dich begeistern und der könnte Peter dann sagen, dass er ein Trottel ist, wenn er dich gehen lässt. Bei ihr und Tom hat das so geklappt. Hat er einen besten Freund?»
    «Anton», sage ich. Sein Freund heißt Anton. Er hat einen Freund, zwei Kinder, zwei Ex-Frauen, deren Namen weiß ich auch. Ich würde in jeder Quizshow gewinnen, in der es nur um Peter geht. Peter ist 42 Jahre alt und 1,86 groß. Das Gewicht weiß ich nicht genau, aber ich könnte es aufs Gramm bestimmen, wenn so lange Gewichte auf mich drauf gelegt werden, bis ich erregt bin.
    «Redet er denn mit diesem Anton über dich?»
    «Nein», sage ich. «Er redet nur mit mir über mich.»
    Das findet Ina blöd und unnormal. Wir würden ja auch über ihn reden, sagt Ina, wie Freunde das eben machen, findet Ina, dabei mache ich das nur für sie. Sie würde gerne drauf kommen, wo es klemmt, und mir den entscheidenden Hinweis geben. Dabei muss man einem Angler nicht sagen, wie er die Angel halten soll, still, und was er braucht, Zeit. Ein Angler angelt gerne, sonst kann er es auch lassen.
    «Und die Kinder?», fragt Ina.
    «Linda und

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