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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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Morgen geschmiert. Milan ist immer noch im Museum. Ich habe kein Geld, aber das Hörnchen ist trocken. Ich kann mir nichts mehr leisten, nur noch das Rückfahrtticket. Ich gehe zu den Händlern und ihren kleinen Ständen. Es ist sehr voll, ich könnte Milan verlieren, aber ich gehe zu den Händlern. Schulklassen spucken in die Gullys und überall gibt es Golems zu kaufen, die meisten sind gar nicht aus Lehm und leben auch gar nicht. Peter ist auch ein Golem. Ich hauche ihm Leben ein und könnte ihm einen Golem mitbringen, einen kleinen. Ich will zu ihm, sofort. Wie konnte ich wegfahren? Katrin! Ich könnte Katrin etwas mitbringen. Es gibt Emaillegeschirr mit Tieren drauf, knallbunt, Frösche und Katzen. Ich esse mein Hörnchen auf, trocken. Ich kaufe Wasser. Das Geld reicht noch für den Zug. Ich kaufe einen Teekessel. Das Geld reicht noch, wenn Milan mir ein wenig gibt. Ich kaufe ein Nudelsieb und lasse mir eine braune Papiertüte dazu geben. Das Geld ist alle, aber ich habe etwas für Katrin gekauft, die ich nie wiedersehen werde. Ich könnte mir viel Geld von Milan leihen, aber den habe ich verloren und Peter wird mich vermissen. Ich will schwanger sein und ich will rauchen und wenn ich schwanger bin, werde ich mit dem Rauchen aufhören. Mich rempelt eine Frau an, die es eilig hat. In der Hand trägt sie eine Rose, aber nicht am Stiel, sondern am Kopf, lieblos. Die Rose ist von einem Verehrer, der nicht erwünscht ist. Sie könnte auf ihn verzichten. Ich weiß nicht, warum er sich an sie verschenkt. Er soll zu mir kommen und seine Rose in meine Vase stellen. Ich laufe der Frau hinterher.
    Am Ende der Straße steht Milan, mit verschränkten Armen. Er schimpft. Ich bin froh ihn zu sehen. Schimpf mit mir, Milan, mein Geld ist alle.
    Milan nimmt mich an die Hand und lässt mich nie wieder los. Wir gehen zur spanischen Synagoge, zusammen. Auf der Straße neben einem koscheren Restaurant steht ein Plastegolem, nur, damit sich Touristen daneben stellen und lächeln können, wenn sie fotografiert werden. Erst in der spanischen Synagoge spricht Milan wieder mit mir. Er zeigt mir eine Uhrzeit und einen Ort, falls wir uns verlieren, aber damit das nicht passiert, hält er mich weiter fest. Das verstehe ich. Ich verstehe viel. Ich verstehe nur nicht, was der sozialpsychologische Dienst von mir will, und warum Katrin nicht mit meinen Eltern mit gestorben ist.
    In der spanischen Synagoge ist viel Gold, auch die Verbotsschilder sind golden und verbieten dasselbe wie die Eintrittskarte. Ich fasse in meinen Rucksack. Da ist ein Schlüssel, weil ich eine Wohnung in Berlin habe, ich. Mit dem Schlüssel könnte ich etwas in die goldenen Verbotsschilder ritzen, einmal: «Tanja und Peter», einmal: «Tanja und Milan», einmal: «Tanja und der Rest der Welt». Ich schiebe den Schlüssel weit nach unten in den Rucksack. Ich habe auch noch nie jemand die Treppe runtergeschubst, obwohl ich wollte und ich habe den Kochtopf beim Abtrocknen nie aus dem Fenster geworfen, es hätte geklirrt.
    «Uf!», sagt Milan neben mir. Die Fenster sind «Uf!», allerdings, riesengroß und bunt. Wahrscheinlich sind sie falsch rum furniert. Sie stellen Blumen dar, viel Lila und Gelb, Muscheln und Heilige, die die Hände etepetete halten.
    Unter den Fenstern ist eine Regenrinne, aber nicht für Regen, sondern für Kondenswasser, schätze ich. An der Seite der Regenrinne ist ein Kupferschuh mit Tragering, damit das Kondenswasser weggekippt werden kann, Blumen damit gießen. Holger gießt zu Hause meine Blumen. Milan zeigt hoch und runter. Ich verstehe ihn. Ich weiß, was Schwanz heißt. Vlevo.
    «Come on, Tanja!», sagt Milan, und ich gehe mit ihm in den zweiten Stock. Von oben sehen wir die zwei Orgeln besser, und wieder Glasvitrinen. Ich werde müde, sofort. In den Glasvitrinen liegen Bücher und Schriftstücke, Massen. In Theresienstadt gab es ein Einkaufsverbot und auch ein Rauchverbot, aber eine Grußpflicht. Milan ist viel betroffen, aber er kann die Texte auch auf Tschechisch lesen und auf Deutsch steht da nichts, nur noch auf Englisch. Ich ziehe meine Hand aus Milans und zeige ihm, dass ich rausgehe. Das gefällt ihm nicht, aber mir gefallen Glasvitrinen nicht, also. Draußen ist Sonne, da will ich hin. Ich setze mich auf den runden Platz vor die Synagoge. Um nichts in der Mitte des Platzes sind Bänke gestellt. Auf den anderen Bänken sitzen andere Menschen, weil es mich nur einmal gibt. Ein Mann hat lange Haare, zwei Bänke von mir entfernt. Die Haare

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