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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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sah auf und verspürte wie immer einen Stich im Herzen. Wie viele schlaflose Nächte hatte sie damit verbracht, den Sternen ihre Geheimnisse zu entlocken? Jetzt leistete der Sternenhimmel ihr wie ein Freund Gesellschaft, wenn der Schlaf nicht kommen wollte.
    Sie schlang die Arme um ihre Taille und versuchte, ihre Oberarme zu wärmen. Er trat hinter sie und hielt mit seinem breiten Rücken den Wind ab. Auf einmal fühlte sie sich beschützt, obwohl seine Stimme kühl klang. „Seltsame Art des Studiums. In der Dunkelheit. Ohne Notizen oder Instrumente.“
    „Ich muss sie nur beobachten, um zu erkennen, was sie bedeuten.“
    Er schnaubte verächtlich. „Dann müssten alle Soldaten Experten im Deuten der Sterne sein.“ Von hinten umfasste er ihre Schultern, und sie spürte seinen Atem, als er ihr ins Ohr flüsterte: „Wisst Ihr mehr über die Sterne als über Euer Geburtsdatum?“
    Sie schluckte. Lag es an seiner Frage oder an seiner Nähe, dass sie zitterte? „Ich weiß mehr als die meisten anderen.“
    Doch die Wahrheit war, dass sie von den Sternen wie von vielen anderen Dingen nur Oberflächliches wusste. Indem sie die Liste der Aszendenten aus dem Stundenbuch ihrer Mutter auswendig gelernt hatte, wusste sie genug, um andere zu beeindrucken, doch nicht genug, um damit zufrieden zu sein.
    Glücklicherweise ließ er sie los und lehnte sich neben ihr an die Wand. „Ihr könnt nicht wissen, wofür die Gelehrten Jahre brauchen.“
    Das kränkte sie. „Ich hatte jahrelang Zeit.“ Jahre, nachdem sie den Hof verlassen hatten und ihre Mutter mit Klagen und Gegenklagen beschäftigt war.
    In seinen dunklen Augen, die im Schatten lagen, konnte sie nichts über seine Gefühle erkennen. „Und gaben die Sterne Euch die Antworten, nach denen Ihr suchtet?“
    Seine Frage überraschte sie. Sie hatte den Himmel studiert, weil sie sonst nichts zu tun hatte. Sie hatte ihn studiert in der Hoffnung, dass er ihr das Leben erklären und ihr Zuversicht für die Zukunft geben würde. „Ich suche noch immer nach meinen Antworten, Lord Justin. Habt Ihr Eure in den Rechten gefunden?“
    Er wandte sich ab, und es wurde so still, dass sie den Fluss außerhalb der Mauern hören konnte.
    „Ich suchte nach Gerechtigkeit“, sagte er schließlich.
    „Auf Erden?“ Einen Moment lang empfand sie Mitleid für ihn. Wie enttäuschend sein Leben sein musste. „Ihr solltet besser in die Sterne blicken.“ Bestimmt hatten die Sterne ihr diese Zeit allein mit ihm geschenkt. Sie sollte von heiteren, betörenden Dingen sprechen, durch die er vielleicht ihr Verbündeter werden konnte. „Lasst mich für Euch die Sterne deuten. Wann wurdet Ihr geboren, Lord Justin?“
    Er runzelte die Stirn. „Glaubt Ihr, mit Eurem bescheidenen Wissen ließe sich die Wahrheit über mich herausfinden?“
    Spielerisch berührte sie seinen starken Arm. „Was ich weiß, ist gut genug für den König.“
    Er fühlte ihre Finger heiß an seinem Ärmel. Sie schwankte ein wenig.
    Er nahm ihre Hand, und die Hitze zwischen ihnen strömte aus seinen Fingern mitten in ihr Herz. Er hielt sie einen Augenblick zu lange fest, dann schob er ihre Hand zurück.
    „Dem König liegt mehr an Schmeicheleien als an der Wahrheit.“ Seine Stimme klang heiser. „Ich würde Euch kein Wort glauben.“
    Sie bewegte die Hand ein wenig hin und her, als hätte sie nie die Absicht gehabt, ihn zu berühren. Als hätte seine Abwehr ihr nicht wehgetan. „Doch Ihr glaubt an Gerechtigkeit auf Erden.“
    „Natürlich. Dafür ist das Gesetz da.“
    War er wirklich so naiv? „Und wenn die Richter sich irren? Was dann?“
    „Die Verurteilten behaupten immer, dass sie zu Unrecht bestraft wurden.“
    Heißer Zorn stieg in ihr auf. Das Parlament hatte ihrer Mutter keine Gerechtigkeit zukommen lassen. „Selbst wenn das Gericht sich nicht täuscht, gibt es niemals Verzeihung? Niemals Gnade?“
    „Das bleibt Gott überlassen.“
    „Oh, also gibt es das Recht auf Erden, Gnade im Himmel, und Ihr sitzt vergnügt im Gericht und freut Euch, weil Ihr Euch niemals irrt.“ Sie lachte freudlos.
    „Ihr glaubt, Eure Mutter sollte entlastet werden.“
    Überrascht, dass er dies erkannt hatte, verstummte sie. Dass sie eine solche Hoffnung hegte, sollte sie besser nicht zugeben. Besser, sie stellte sich ihre Mutter nicht bei Hofe vor, wie sie belohnt wurde für all das Gute, was sie getan hatte. „Ehe das Jahr vorbei war, wurde sie zurückgebracht an den Hof.“ Wieder in ihre Position eingesetzt an der Seite des

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