Die Tochter der Dirne
Sie wussten beide, wo der Duke gewesen war. Als Solay zurückgekehrt war, hatte es in ihrer Kammer nach Liebe gerochen.
„Es ist alles Lord Justins Fehler“, sagte Agnes schmollend.
Solay schüttelte den Kopf. „Nein, es ist mein Fehler. Ich habe die Wahl getroffen. Sie konnte weder Justin noch dem König, noch den Sternen die Schuld geben.
„Also liebt Ihr ihn. Wenn es so ist, dann wird sich alles irgendwie finden“, sagte Agnes. Vollkommen erfüllt von ihrer eigenen Romanze, schien sie bereit zu glauben, dass Liebe eine Entschuldigung für alles war.
Doch wie sollte Solay jene Mischung aus Wohlbehagen und Qual nennen, die sie in seiner Gegenwart empfand? Ihre Mutter hatte recht gehabt. Das Verlangen hatte sie geschwächt, ihr Körper hatte die Frage beantwortet. Jetzt mussten ihr Herz und ihr Verstand die Konsequenzen tragen. „Nicht so, wie er es will.“
Agnes nahm Solays Hand. „Wenn es nicht gut geht, könnt Ihr immer noch einen anderen Gemahl finden.“
Solay schüttelte den Kopf. „Nicht einmal der König kann Gottes Gesetze brechen.“
Doch Agnes winkte abwehrend mit der Hand. „Es gibt Möglichkeiten. In der Hochzeitsnacht, wenn er nicht kann … nun, dann müsst Ihr nicht …“
Solay lachte über diesen absurden Vorschlag und errötete. Schwindel und Erschrecken kämpften miteinander bei der Vorstellung, das Bett mit ihm zu teilen. „Ich bin sicher, er kann.“
„Aber man wird nach einem Beweis verlangen.“
Es würde nicht schwer sein, ein blutiges Laken vorzuzeigen. „Er wird mein erster Mann sein, Agnes“, flüsterte sie.
Ein Mann, einer allein. Wie würde das sein?
Als Agnes sie umarmte, lächelte Solay. Nun, da sie heiraten sollten, würde er ihr Bett nicht mehr meiden. Selbst wenn er sie hasste, würde ihr Körper einen Weg finden, ihn zu beherrschen.
Und sie könnte sein Herz erreichen, ohne ihr eigenes aufs Spiel zu setzen.
Während sich das Hochzeitsbankett endlos bis nach Sonnenuntergang erstreckte, saß Justin neben seiner Braut und fragte sich, wie er hierhergekommen war. Er hatte gelobt, niemals zu heiraten, doch die Sterne schienen sich gegen ihn verschworen zu haben.
Als er und Solay das Gemach des Königs verlassen hatten, hatte Justin versucht, ihre Frage zu beantworten.
Warum?
Er wollte nicht antworten. Er war nicht sicher, ob er das konnte. Er hatte nicht gewusst, dass er Ja sagen würde, bis sie vor dem König standen und er Gefahr lief, sie an einen Mann zu verlieren, dessen Frau auf ungeklärte Weise bei einem Treppensturz den Tod gefunden hatte.
Und dann war das Wort heraus. Ritterliches Verhalten zum falschen Zeitpunkt, verbunden mit dem Versuch, Solay dazu zu bringen, das zu wählen, was sie wollte.
Trotzdem überraschte ihn ihre Wahl. Hatte sie die Wahrheit gesagt? Vielleicht war er es, der „Warum?“, fragen sollte. Er wusste, dass sie unbedingt einen Bräutigam finden wollte, um ihre Familie versorgen zu können. Und vielleicht hatte sie die Gerüchte über die Frau des Earls gehört.
Und nur eines hatte ihn noch mehr überrascht als ihre Wahl.
Seine Reaktion.
Als er darauf gewartet hatte, dass sie sprach, war zu seinem Wunsch, sie loszuwerden, ein anderes Gefühl hinzugekommen: Angst, sie zu verlieren. Und er erkannte, dass er wieder Gefahr lief, sich um eine Frau zu sorgen, der er gleichgültig war.
Eine Frau war in der Themse gestorben, weil sie mit ihm verheiratet werden sollte. Zumindest würde Solay keinen Grund haben, sich in die Themse zu stürzen, nun, da sie mit ihm verheiratet war.
Wenn sie so verzweifelt einen Ehemann wollte, dann würde sie einen bekommen.
Und mehr auch nicht.
Als die Tür sich hinter der wilden Truppe schloss, die sie die Treppe hinauf begleitet hatte, seufzte Solay erleichtert. Der Geschmack von rotem Wein auf der Zunge und ihre Erwartung beflügelten sie.
Endlich war sie allein mit ihrem Gemahl.
Durch die Wimpern hindurch sah sie ihn an. Seine Miene, so reglos wie in Stein gemeißelt, hatte sich nicht verändert, seit sie an diesem Morgen vor der Kirchentür gestanden hatten. Wenn sie allein waren hinter den Bettvorhängen, würde er gewiss nachgeben. Nun, da sie verheiratet waren, würde er zweifellos die Arme nach ihr ausstrecken, und das Feuer, das sie so oft gespürt hatte, würde hell auflodern.
Der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch sein Bett, hatte ihre Mutter immer gesagt. Gib ihm das Gefühl, der begehrenswerteste Mann auf Erden zu sein.
Solay legte ihren welkenden Brautstrauß beiseite
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