Die Tochter der Dirne
glaubte, Euer einziges Ziel wäre es, dort zu leben.“
„Das wollte meine Mutter so.“
Noch immer dem vergangenen Glanz verhaftet, hatte die Dirne ihre Träume auf ihre Tochter übertragen. „Sie überredete Euch, dorthin zu gehen?“
Solay richtete ihre veilchenfarbenen Augen auf ihn, und ihr Blick sagte: Der König nannte mich seine Tochter. „Ich wollte gehen.“
Ihr Stolz vermischte sich auf seltsame Art mit ihrer Verletzlichkeit. Dies verlieh ihr eine Kraft, deren Macht er erst allmählich begriff. „Und Ihr bekamt, was Ihr wolltet.“
„Ich bekam, was ich brauchte.“
Einen Gemahl. Euch. Sie hätte die Worte ebenso gut laut aussprechen können.
Die Ehrlichkeit, die er eingefordert hatte, quälte ihn jetzt. Keiner von ihnen machte sich Illusionen über diese Heirat. Warum verlangte es ihn dann nach mehr?
„Und was wollt Ihr jetzt?“ Er hielt den Atem an und wünschte, es möge etwas sein, was er geben konnte.
Schweigen entstand, ehe sie antwortete. „Was wollt Ihr, Justin?“
Er öffnete schon den Mund, um sie zu schelten, weil sie ihn nach seinen Gedanken gefragt hatte, ehe sie sprach. Doch dann erkannte er, dass er sich ihrer Frage entzog. Er hatte ihr vorgeworfen, nicht ihre Meinung zu äußern, während er ihr seine eigene verheimlichte.
Er räusperte sich. „Ich wäre gern Friedensrichter.“
„Wie Euer Vater?“
Er nickte. „Ich möchte gewöhnlichen Menschen die Gerechtigkeit des Gesetzes bringen.“ Wenn man es laut aussprach, klang es lächerlich. Warum hatte er ihr von Träumen erzählt, die sie verachten würde?
„Also wollt Ihr auch nicht am Hofe leben?“
„Das wollte ich nie.“
Sie ergriff einen Holzschieber und zog damit zwei fertige Laibe Brot aus dem Backofen. „Ich verstehe. Ihr habt den König nie gemocht.“ In ihrem Tonfall lag keine Kritik.
Der Duft von warmem Brot erfüllte ihn mit Frieden, und Westminster schien weit entfernt. „Es ist nicht nur der König.“ Er hatte sie immer zur Ehrlichkeit gedrängt. Jetzt war es Zeit, das selbst zu erfüllen. „Manchmal fürchte ich, der Rat beginnt, sich mehr um die eigene Macht zu sorgen als um das Allgemeinwohl.“
„Als Richter könntet Ihr all das ignorieren?“
„Den König kümmert es wenig, was mit den meisten Menschen auf dem Land geschieht.“ Er lächelte. „Und sie machen es genauso. Vielen ist es egal, wo der König ist, geschweige denn, dass sie sich um seine Haushaltsausgaben sorgten, außer, er verlangt mehr Steuern. Ebenso wenig interessieren sie sich für den Krieg, außer, sie müssen dienen.“
Sie hörte auf, den Teig zu kneten. „Selbst jetzt noch beherrschen König und Hof Mutters Gedanken.“
„Das ist es also, was ich will, Solay. Was ist mit Euch?“
„Ich möchte, dass es meiner Familie gut geht und dass Jane glücklich wird.“
Das war keine Überraschung. Deswegen hatte sie einen Ehemann gesucht. „Aber was wollt Ihr für Euch selbst?“
Sie sah ihn offen an. „Ich habe mit meinem Wissen über die Sterne übertrieben. Aber nun will ich es vertiefen.“ Sie wandte sich ab und begann, den Teig mit den Fäusten zu bearbeiten. „Ich möchte die Geheimnisse der Sterne wirklich erlernen.“
Lächerlicherweise hatte er gehofft, sie würde sagen, dass sie ein Leben mit ihm wollte. „Das wird Euch niemand lehren.“
Sie stützte sich auf ihre Arme und sah ihn an. „Ihr fragt mich, was ich will, und sofort missbilligt Ihr es. Warum sollte ich Euch etwas erzählen wollen?“
Er bemerkte den Tonfall einer Prinzessin, die sagte: Ich kann es. War es nicht das, was er versucht hatte, sie zu lehren? Kein Wunder, dass sie nicht von einem Leben mit ihm träumte. Gerade hatte sie seinen lächerlichen Wunsch akzeptiert, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Und er saß hier, sah ihr beim Brotbacken zu und weigerte sich, ihre Träume ernst zu nehmen. „Ihr habt recht. Ich bin stolz darauf, dass Ihr entschieden habt, was Ihr wollt.“
Er sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen, aber nicht nur wegen des körperlichen Verlangens. Er wollte ihr Schutz und Trost geben.
Sie lächelte, als hätte sie es in seinem Blick gesehen, dann wandte sie sich ab. „Und wenn ich entdecke, was die Sterne für mich vorgesehen haben, dann werde ich das wollen“, sagte sie, in jenem neckenden Ton, der ihre Gefühle verbarg. „Damit ich nicht enttäuscht werde.“
Erleichtert ging er auf ihre spielerischen Worte ein. „Also werdet Ihr Gerechtigkeit im Himmel suchen und ich auf
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