Die Tochter der Dirne
seinem Leben auszuschließen. Stattdessen begehrte er nicht nur ihren Leib, sondern noch mehr.
Ihre Liebe.
Sein Leben lang war er stolz gewesen auf seine Ehrlichkeit. Und doch verheimlichte er mehr vor ihr als nur seine Arbeit im Rat.
Er verheimlichte die Geschichte von Blanche.
Er hatte sich eingeredet, es hätte sich einfach nicht ergeben. Oder dass er auf den richtigen Zeitpunkt wartete. Aber als er den Stall betrat und den Duft von Heu und Stroh einatmete, sah er die Wahrheit vor sich. Er hatte es ihr nicht gesagt, weil es ihm nicht egal war, was diese schwache, starke, eigensinnige, verrückte Frau über ihn dachte. Und auch wenn sie in der Dunkelheit über Vergebung gesprochen hatte, wusste er, dass diese ihm nicht zuteil würde, wenn sie erst die Wahrheit über Blanche kannte.
Plötzlich lachte er auf, und eines der Pferde wieherte. Wie die Dinge sich verändert hatten! Immer und immer wieder hatte er ihr ihre Lügen vorgeworfen, während er selbst die ganze Zeit über gelogen hatte, um ihre Liebe zu gewinnen.
Solay blickte zur Decke, dann schlug sie mit beiden Fäusten gegen ihr Kissen, sodass eine Wolke von Staub durch die Nähte quoll. Dieser Mann, dieser unmögliche Mann. Ihr Gemahl. Was sollte sie nur tun?
Ich tat es für Euch. Eine Antwort, auf die sie nie gehofft hatte. Er musste etwas für sie empfinden, aber sie wollte so viel mehr.
Sie schleuderte das Kissen gegen die Wand, wo es zu Boden fiel. Seufzend erhob sie sich, um es zurückzuholen, und blieb am offenen Fenster stehen.
Der Stall versperrte ihr den Blick auf ihn, so sicher wie die Mauer um sein Herz sie von ihm fernhielt. Und doch schien es, als würde dieser Mann, der nichts fürchtete und immer ehrlich war, vor irgendetwas Angst haben. Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich selbst vor Schmerz zu bewahren, dass sie es zuerst nicht bemerkt hatte.
Sie hatte die Verurteilung in seinem Blick gefürchtet, doch jetzt war es unübersehbar, dass er sich selbst ebenso hart beurteilte wie andere. Wie schmerzlich musste es sein, sich jeden Tag über die eigenen Mängel bewusst zu sein.
Wer hatte ihn das gelehrt?
Sein Vater. Ein Richter. Sie hatte darunter gelitten, dass ihr Vater nicht da war. Vielleicht war seiner zu gegenwärtig gewesen.
Sie blickte zu den Sternen hinauf, die wie tausende wilder Blumen über den Himmel verstreut waren, und suchte nach einem Muster. Sie hatte einen Gemahl, doch wie es schien, würde sie niemals seine Frau werden. Trotz ihrer Bemühungen hatten die Pläne, die der Himmel mit ihr hatte, sich nicht geändert. Die Pflicht ihrer Familie gegenüber hatte sie erfüllt, doch noch immer war sie allein.
Das also würde ihr Leben sein. Wenn sie schon nicht fähig war, ihrem Gemahl zu gefallen, konnte sie vielleicht wenigstens sich selbst gefallen.
Es war an der Zeit herauszufinden, was das bedeutete.
22. KAPITEL
Am nächsten Morgen spülte Justin den Stallgeruch mit kaltem Wasser aus dem Fluss ab. Er betrat die Küche und war überrascht, Solay dort anzutreffen. Ihre Arme waren von Mehl bedeckt wie von Schnee, der Raum war heiß vom Backofen.
Er wusste wenig über häusliche Arbeiten, aber noch nie hatte er eine Lady gesehen, die bis zu den Ellenbogen in Brotteig steckte. Und doch knetete sie den Teig, als hätte sie das schon zahllose Male getan. „Ist die Küchenmagd krank?“
Sie lächelte. „Wir haben nur zwei Dienstboten. Die meisten Arbeiten im Haus erledigen Mutter und ich, Jane hilft im Garten und in den Ställen.“
Am vergangenen Abend hatte er kaum darauf geachtet, aber nun fiel ihm ein, dass er nur ein älteres Paar gesehen hatte, das beim Essen aufgewartet und seine Truhe die Treppen hinaufgetragen hatte. Trotz Solays verzweifelter Bemühungen um eine Heirat war ihm nicht bewusst gewesen, wie tief die Mätresse des alten Königs gesunken war. „Kein Wunder, dass Ihr bei Hofe bleiben wolltet.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin lieber hier. Der ganze Hof wirkt wie eine Bühne.“ Sie schritt im Raum hin und her und verzog das Gesicht zu dem eines schmeichelnden Höflings. „Was denkt der König über dies? Wird der König das billigen? Wann will der König essen? Was, wenn ich hungrig bin, aber der König ist es nicht?“ Sie legte die Pose wieder ab und schüttelte den Kopf. „Wir können nicht einmal schlafen gehen, aufwachen oder frühstücken, wenn der König es nicht wünscht.“
Er lachte, überrascht von der Art, wie sie die Schmeichler bei Hofe nachahmte. „Ich
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