Die Tochter der Dirne
er sie nicht. Er stand wie angewurzelt und verlangte nach ihr. Hatte er vor, sein Leben wie ein Mönch zu führen? Er war mit dieser Frau verheiratet. Warum hatte er sich geweigert, bei ihr zu liegen? Es fiel ihm schwer, sich an den Grund zu erinnern.
Mit dem Rücken zur Tür versperrte sie ihm den Ausgang und hob den Kopf. Ihre Unterlippe zitterte. „Ich habe Euren Bedingungen zugestimmt. Bitte achtet auch meine. Ich möchte unsere Lage nicht vor meiner Familie offenbaren.“
Er nickte stumm. Wenn er ihr in die Augen sah und ihre ehrliche Bitte darin las, konnte er nicht widerstehen. Wie beim ersten Mal sprach irgendetwas ihn an. Wortlos. Unwiderstehlich.
Sie lächelte, und ihr ganzer Körper schien sich zu entspannen, als sie die Tür losließ. „Danke.“
Während er über den Papieren gesessen hatte, hatte ein Diener seine Truhe auf die linke Seite des Kamins in der Kammer gestellt. Eine Schale mit getrockneten Blüten stand darauf, und Solay zerrieb einige zwischen den Fingern, sodass sich der Duft von Rosen ausbreitete. „All Eure Sachen sind hier. Ich werde auf dem Boden schlafen“, sagte sie, „und Euch das Bett überlassen.“
Er wandte dem verlockenden Bett den Rücken zu. „Wollt Ihr mich beleidigen? Ihr nehmt das Bett.“
„Aber Ihr seid der Gast.“
„Ich bin kein Gast. Ich bin Euer Gemahl!“
Sie blickte zur Tür, als hätte sie Angst, jemand könnte seinen Ausruf gehört haben, dann sah sie ihn wieder an, und der bittende Ausdruck machte einem zornigen Platz. „Ich versuchte, mich Euren Wünschen zu fügen, Gemahl. Schlaft, wo Ihr wollt.“
Seit dem Ehegelübde hatte ihr Wunsch, sein Wohlgefallen zu gewinnen, sich verflüchtigt, sodass es noch offensichtlicher wurde, wenn sie ihm zu schmeicheln versuchte. Beunruhigend war, dass ihm diese widerspenstige Frau mit dem Feuer in den Augen gefiel, die keine Angst hatte, ihm zu sagen, was sie dachte.
Er räusperte sich. „Ich werde auf dem Boden schlafen.“
Ihre Miene wurde wieder freundlicher, der Ärger war verflogen. „Verzeiht mir. Ich muss undankbar erscheinen. Eure Hilfe …“ Ihre Stimme versagte. Sie sah ihm in die Augen, demütig und stolz zugleich. „Sie bedeutet uns alles.“
„Ich tat es nicht für sie.“
Ihr Spott vermischte sich mit Traurigkeit. „Ich verstehe. Meine Familie wird Euch weniger eine Last sein, wenn sie nicht nur von Euch unterstützt wird.“
Hatte sie denn gar kein Vertrauen in ihn? „Ich werde sie nicht verhungern lassen, egal, was geschieht. Aber das ist nicht der Grund, warum ich zustimmte.“
„Warum dann?“ Mit großen Augen und schräg gelegtem Kopf erinnerte sie ihn an das kleine Mädchen, das seinen Papagei verloren hatte. Das kleine Mädchen, das gern Geburtstag feiern wollte, aber nicht daran glaubte, dass sie das je tun würde.
Er streckte die Hand nach ihrem Haar aus und strich darüber. Die Strähnen fühlten sich seidig an unter seiner Handfläche, und dann berührte er ihre Wange mit den Fingern. „Ich tat es für Euch.“
Mit geschlossenen Augen legte sie den Kopf an seine Hand. So schnell, mit einer Berührung nur, hatte er ihren Herzschlag beschleunigt.
Und er fühlte das Pochen in seinen Lenden.
Mit einem schnellen Schritt trat er auf sie zu und küsste sie, wie er es seit Wochen hatte tun wollen. Sie sank gegen ihn, und ihre Nachgiebigkeit erregte ihn nur noch mehr.
„Ich wollte Euch etwas beweisen“, flüsterte er, die Lippen an ihrem Haar.
Sie legte den Kopf in den Nacken, um sein Gesicht sehen zu können, und der hoffnungsvolle Ausdruck ihrer Augen berührte ihn. „Was?“
„Dass das Gesetz Euch Gerechtigkeit verschaffen kann.“
„Ich hoffe, Ihr habt recht“, sagte sie leise und schmiegte sich wieder an seine Brust.
„Vielleicht“, sagte er, unfähig, sie loszulassen, „können wir uns das Bett teilen.“
Er wusste, es war Wahnsinn, so nahe, wie er schon einmal daran gewesen war, sie zu nehmen, aber sie hatten einen langen Weg hinter sich, und keiner von ihnen verdiente den kalten Steinboden.
Er fühlte, wie sie nickte.
„Nur das Bett natürlich.“ Er löste sich von ihr und ging zur anderen Seite des Bettes, setzte sich hin und zog die Stiefel aus.
Hinter ihm hörte er das Rascheln ihrer Kleider.
Er schloss die Augen, doch in Gedanken sah er sie vor sich. Sie würde ihr Kleid öffnen, es sich von den Schultern gleiten lassen, und ihr dunkles Haar würde ihr über den weißen Rücken fallen. Ihre Hüften würden sich sanft unter ihrem Chemisier
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