Die Tochter der Dirne
Hand und sah den springenden Jungen zu. „Ich habe das früher auch gemacht“, sagte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Burschen. „Die Kunst besteht darin, vorherzusehen, wann die Flamme kleiner brennt und es Zeit für den Sprung ist.“
Sein Lächeln erinnerte sie an den Jungen, der im Hof von Windsor mit Schneebällen geworfen hatte, und sie sehnte sich danach, ihm Söhne zu schenken, mit denen er spielen konnte. „Habt Ihr Euch je verbrannt?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Aber als ich mir meine gute Tunika ansengte, hat meine Mutter mir eine Predigt gehalten.“ Mit der linken Hand spielte er mit ihren Fingern, die er einen nach dem anderen anhob. „Ich möchte wetten, ich schaffe es immer noch“, sagte er, und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Nein!“ Sie hielt seine Hand fest, aber sie konnte nicht verhindern, dass er aufstand. „Was, wenn Ihr in die Flammen fallt?“
Er lachte nur und trank das Ale aus. „Seht mir zu.“
Sie hielt die Hände vors Gesicht und spähte zwischen den Fingern hindurch, während sie sich zu erinnern versuchte, wie viel Ale er getrunken hatte. Zumindest schwankte er nicht, als er quer über die Wiese ging. Dunkel hob er sich vor dem mattblauen Himmel ab, dann drehte er sich um und winkte, als wollte er sichergehen, dass sie ihm zusah.
Sie winkte zurück.
„Tief im Herzen sind sie alle Jungen, Mylady.“ Die üppige Frau des Arztes hatte sich neben sie gestellt, um zuzusehen.
„Wenn er sich nun wehtut?“ Gerstensaat und Eier würden nutzlos sein gegen eine ernsthafte Verbrennung.
„Keine Sorge“, sagte die Frau. „Jetzt passt auf, dass Ihr ihm auch zuschaut, sonst macht er es noch mal, damit er sicher sein kann, dass Ihr ihn gesehen habt.“
Solay holte tief Luft. „Wenn er das macht, um mich zu beeindrucken, wäre es mir lieber, er würde etwas anderes tun“, meinte sie.
Justin war als Nächster an der Reihe zu springen, als sie den ersten Stern in dieser Nacht sah. Ich wünsche mir, dass er sicher ist.
Er nahm Anlauf und sprang.
Genau in diesem Moment stieg eine Flamme gen Himmel, und er sprang direkt durch sie hindurch. Sie berührte seine Tunika und entzündete sie, ehe er den Boden berührte.
Solay rannte los, und ihr einziger Gedanke war, dass er nicht sterben durfte.
Er rollte sich weg vom Feuer und erstickte dabei die Flammen. Sie erreichte ihn vor den anderen Männern, sank neben ihm auf die Knie, löschte die letzten Funken mit den bloßen Händen aus und gelobte sich, wenn er überlebte, nicht länger zu warten, um das Bett mit ihm zu teilen.
Sie klopfte ihm auf den Rücken und löschte damit den letzten Funken auf der verdorbenen Tunika.
„Au! Hört auf damit! Ich bin nicht verletzt!“ Er setzte sich auf und winkte den Männern ab, die herbeigelaufen waren, um ihm zu helfen.
Sie umfasste seine rußgeschwärzte Wange. „Macht das nie, nie wieder! Jetzt lasst es mich ansehen.“
Wunderbarerweise war Justins Rücken zwar gerötet, zeigte aber keine Blasen. Der Arzt kam hinzu, legte ein kühles Tuch auf und wies Solay an, Efeu und Beinwell aufzulegen, wenn sie wieder zu Hause waren.
Justin erhob sich, dehnte seinen Rücken und hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
Am liebsten hätte sie sich ihm in die Arme geworfen und vor Erleichterung geweint, aber sein Lächeln war zu selbstsicher, um noch belohnt zu werden, daher ließ sie sich von ihm hoch helfen mit einer Miene, von der sie hoffte, dass sie möglichst hochmütig wirkte. „Ich beginne, Eure Mutter zu verstehen.“
Er legte einen Arm um ihre Schulter. „Ich sagte doch, ich wusste, wie man das macht.“
Sie schüttelte den Kopf. „Genug von dem Unsinn. Wir gehen nach Hause, damit ich Euch von dieser Tunika befreien und eine neue kalte Kompresse auflegen kann.“
Lächelnd zog er sie an sich. „Nicht nötig. Es wird ein paar Tage wehtun, aber ich habe Schlimmeres überstanden.“
Sie legte einen Arm um seine Taille, wobei sie darauf achtete, nicht seinen versengten Rücken zu berühren, und schmiegte sich kopfschüttelnd an ihn.
Das letzte Licht der Sonne versank hinter dem Horizont. Die Älteren gingen schlafen. Der Rest der Nacht gehörte den Jungen. Die Dorfjungen, die mehr an Küssen als an Bonfire interessiert waren, verschwanden im Obstgarten, um mit den Mädchen allein zu sein.
Als sie den Pfad zum Haus hinaufgingen, hörten sie hinter sich ein Seufzen.
„Der Mittsommerabend ist für Verliebte“, flüsterte er ihr heiser
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