Die Tochter der Dirne
Konstellation, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte.
25. KAPITEL
Am nächsten Morgen öffnete Solay die Augen, als die Sonne am Himmel erschien und die Welt neu erschuf.
Hinter ihr lag Justin und hielt sie fest umschlungen, eine Hand an ihrer Brust. Der gleichmäßige Atem an seinem Hals zeigte ihr, dass er noch schlief. Erleichtert lag sie still. Sie brauchte Zeit, um zu überlegen, was sie sagen sollte.
Er rollte sich auf den Rücken, zuckte zusammen, als das Gras die Brandwunde berührte, wachte aber nicht auf.
Sie beobachtete, wie seine Brust sich hob und senkte, und hätte am liebsten die Finger wieder in sein Haar gegraben. Nun, da sie ihn so kennengelernt hatte, wirkte er gleichermaßen fragil wie stark. Wenn das Herz, das sie so nahe an ihrem gespürt hatte, aufhörte zu schlagen, würde ihres ihm gewiss in den Tod folgen.
Ich liebe dich.
Sie hatte jedes dieser Worte ernst gemeint. Jetzt lagen sie da wie verstreute Edelsteine auf einem Weg. Er musste sie aufsammeln.
Würde er das tun?
Wenn sie ihn nun fragte: Justin, glaubst du mir?
Was würde sie tun, wenn er Nein sagte?
Und doch wollte sie eine andere, noch furchteinflößendere Frage stellen.
Liebst du mich?
Ein alberner Wunsch. Aber der Ausdruck in seinen Augen, als er sie geliebt hatte in der vergangenen Nacht – oh, jetzt wusste sie, was Agnes gemeint hatte. Eine solche Liebe öffnete die Seele.
Und jetzt lag ihre Seele bloß.
Während sie darauf wartete, dass er aufwachte, setzte sie sich hin und sah zu, wie die Sonne über den Horizont stieg. Strahlend hell und heiß genug, um ihr die Augen zu versengen, stand sie am orangefarbenen Himmel.
Und sie erhellte die dunklen Ecken, sandte Licht dorthin, wo sie niemals hinzusehen geglaubt hatte.
Da war noch eine andere große Frage.
Warum war es ihm so wichtig, dass sie ihn liebte?
Ich liebe dich.
Justin lag auf dem Rücken, einen Arm über die Augen gelegt, und genoss die Worte, die durch seine Erinnerung trieben, so schwer wie der Duft von Rosen.
Hätte sie es zu irgendeinem anderen Zeitpunkt gesagt, hätte er es erklärt, entschuldigt, hätte widerstanden. Er hätte sich einreden können, dass sie es nicht ernst meinte.
Er wäre sicher gewesen.
Aber nicht einmal Solay konnte sich verstellen in diesem innigsten Moment. Oder doch?
Er schob den Zweifel beiseite, wollte einen Moment des Friedens genießen. Er gähnte und streckte den Arm aus, fühlte sich unbehaglich, da er sie nicht mehr neben sich spürte. Dann setzte er sich auf, rieb sich über den brennenden Rücken und schaute sich nach ihr um.
Das offene Kleid locker um sich gelegt, saß sie da, die Knie an die Brust gezogen, und blickte hinauf zu dem goldorangefarbenen Himmel.
Er rückte hinter sie, schob die dunklen Locken zur Seite und küsste ihren Nacken. Sie schmiegte sich an ihn, und er berührte ihre Brüste, erneut voller Verlangen, sie zu lieben.
Doch sie entzog sich ihm. „Erzähl mir von der anderen Frau“, sagte sie. „Die, mit der du verlobt warst.“
Der Frieden zerbrach.
„Warum willst du das wissen?“ Wenn sie die Antwort kannte, würde ihr „Ich liebe dich“ nichts mehr bedeuten. Er hatte gewusst, dass es dazu kommen würde, wenn er sie liebte, und doch hatte er es getan.
Sie umfasste seine Hand, ganz sanft, und ließ doch nicht zu, dass er sich abwandte. „Du bist derjenige, der die Macht der Wahrheit gepredigt hat.“ Sie blickte ihn verständnisvoll, aber auch mit Erwartung an. „Ich sagte dir, ich würde nicht urteilen.“
Resigniert seufzte er. Er hätte es ihr vor Monaten erzählen sollen. „Etwas musst du bereits wissen.“
„Ich weiß, dass du heiraten solltest und dass das Mädchen starb.“
Das Schlimmste wusste sie noch nicht. „Was willst du noch hören?“
„Ich will wissen, was geschah.“
Er betrachtete eine Ameise unten im Gras und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, ehe er zum Sprechen gezwungen war. Warum musste eine Frau einen Mann aufschneiden, ihn ausnehmen und sein Innerstes offenlegen? „Da gibt es nicht viel zu sagen.“
„In dieser Sache kannst du also nicht vollkommen ehrlich sein.“
So zum Sprechen genötigt, stieß er die Worte so hastig hervor, wie er nur konnte. „Sie hieß Blanche. Sie kam zu mir, schmeichelnd und verführerisch, und ich …“ Er zuckte die Achseln.
„Du und sie …?“
„Ja.“ Er schloss die Augen bei der Erinnerung an ihre Vereinigung, ein Zusammentreffen ohne Leidenschaft, das vorbei war, nachdem er erledigt hatte,
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