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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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weswegen sie gekommen war.
    Nein. In dem Moment der Vereinigung konnte keine Frau lügen.
    „Wie alt warst du?“
    Er öffnete die Augen und sah nur noch Solay. Sie hatte ihm Verzeihung versprochen, aber das war, ehe sie es wusste. „Jugend kann ich nicht als Entschuldigung anführen. Ich war schon bei den Inns at Court.“
    War da ein Anflug von Enttäuschung in ihren Augen zu sehen?
    „Du warst also einverstanden, sie zu heiraten?“
    Er nickte und versuchte sich zu erinnern, ob Ehrgefühl oder Hoffnung der größere Antrieb gewesen waren. Während dieser wenigen Wochen hatte er sich eingeredet, er würde ohne Vorbehalte geliebt, ohne Vorurteil. Eine Lüge. Alles.
    Er war überhaupt nicht geliebt worden.
    „Das Aufgebot wurde verlesen, unsere Familien miteinander bekannt gemacht.“
    Auf jedes Bekenntnis folgte Schweigen. Jedes Mal hoffte er, genug enthüllt zu haben, um sie zufriedenzustellen.
    Aber sie bohrte weiter. „Was dann?“
    „Es zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete.“
    Solay sah zu Boden, als ob sie an den Samen denken würde, den er in der letzten Nacht vergossen hatte. Sie schwieg eine Weile. „Ihr werdet nicht das erste Paar gewesen sein, das das endgültige Gelöbnis vorwegnahm“, sagte sie endlich. „Aber ich wusste nicht, dass du ein Kind hast.“
    „Das habe ich nicht. Eine Woche vor der Hochzeit gestand sie mir, dass das Kind nicht von mir war, und dass sie den Vater liebte.“
    Blanches Worte, die er lange verdrängt hatte, klangen wieder in seinen Ohren. Dich könnte ich niemals lieben. Du liebst das Gesetz mehr als jede Frau.
    „Warum hat sie ihn nicht geheiratet?“
    „Er war schon verheiratet.“
    Er glaubte, sie seufzen zu hören, aber er hielt den Blick weiterhin auf den Boden gerichtet und bohrte mit einem kleinen Stock in der Erde, wohl wissend, dass sie auch den Rest erfragen würde.
    „Und was hast du gesagt“, fragte sie endlich, „nachdem sie dir die Wahrheit gestanden hatte?“
    „Ich sagte ihr, sie hätte diese Heirat gewählt, und jetzt müssten wir beide damit leben.“
    „Eine Heirat, die keiner von Euch wollte.“
    Der Stock zerbrach zwischen seinen Fingern. „Ich wusste, dass du das nicht verstehst. Nach dem Gesetz waren wir bereits verheiratet.“
    „Du wolltest also lieber in Lüge leben, als gegen das Gesetz zu verstoßen?“
    Er runzelte die Stirn und wünschte sich die alte, anschmiegsame Solay zurück. „Es gab keine andere Möglichkeit.“ Es muss so gemacht werden, Sohn.
    „Hast du nach einer gesucht?“
    Er zuckte zusammen und warf den zerbrochenen Stab gegen einen Baum. „Sie hatte sich geirrt, sich und mich in eine Falle gelockt. Die Ehe war verbindlich. Es gab kein Entkommen.“
    Das Schweigen schien sich bis in das stille Blau des Himmels zu erstrecken. Er atmete aus. Vielleicht würde sie damit zufrieden sein.
    Vielleicht würde sie nicht fragen, was als Nächstes geschah.
    Aber Solay ließ sich nicht täuschen. „Sie hat einen Weg gefunden, nicht wahr?“
    Ihre Frage schien ihm die Kehle zuzudrücken. So war es für andere Menschen, für jene, die sich vor der Wahrheit fürchteten.
    Eine ganze Weile wartete sie, ohne dass er antwortete, aber sie wandte den Blick nicht ab. Und sie sagte nicht: Du musst es mir nicht erzählen.
    „Ja“, stieß er hervor, als weder der Wind noch das Gras noch Solays Blick ihm einen Fluchtweg ermöglichten. „Sie ging zum Fluss hinunter, die Taschen voller Steine, und ließ sich und das ungeborene Kind auf den Grund der Themse sinken.“
    Und weil Blanche ihren Eltern nicht die Wahrheit gesagt hatte, konnte er das auch nicht tun. Blanches Mutter hatte sich die Haare ausgerissen und geschrien, dass ihre Tochter für immer verdammt sei.
    Solay löste seine Faust und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“
    Er zog seine Hand weg, nahm einen weiteren Zweig und zerbrach ihn. „Sie hätte nicht lügen sollen.“ Er wusste nicht mehr, ob er mit Solay stritt oder mit seiner Vergangenheit. „Wenn sie von Anfang an ehrlich gewesen wäre …“
    „Doch als sie ehrlich war und aus der Ehe ausbrechen wollte, hast du es abgelehnt.“
    „Das war nicht ich! Es war das Gesetz!“
    „Also hast du diesmal dafür gesorgt, dass dir ein Ausweg bleibt.“
    Er sah ihr in die Augen und wusste, dass sie ihn durchschaut hatte, dass sie alles durchschaut hatte. Ich habe eine Bedingung.
    Er hörte das Echo seiner Stimme, erinnerte sich, wie er verzweifelt versucht hatte, seine Gefühle

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