Die Tochter Der Goldzeit
Füße, die er nach der Flucht des Poruzzen im weichen Ufergras entdeckt hatte; Füße, die etwa so groß waren wie Katanjas.
Wieder erhob sich die Mutter des Hauptmanns und wandte sich an ihren Sohn: »Hast du mir nicht selbst erzählt, dir sei schlecht von dem Wein gewesen, den sie dir gegeben hat? Hast du nicht selbst gesagt, ihr Körper hätte sich gegen Morgen seltsam kühl und feucht angefühlt?«
»Sie muss brennen!«, schrie eine Alte am Feuer. »Brennen muss die Dienerin des Finsterfürsten!« Andere Frauen schüttelten die Fäuste und stimmten in das Geschrei der Greisin ein.
Katanja bemerkte, wie sich auch einige Männer ansahen und nickten. Das Spiel war aus. Die Ältesten der Versammlung umringten den Hauptmann, bedrängten ihn, und seine Mutter redete gestikulierend auf ihn ein. Nicht lange danach packten ein paar Jäger Katanja und schleppten sie zum Wachhaus. Dort kettete man sie neben der Tür an die Außenwand. Das geschah am späten Vormittag.
Katanja dachte an Waller Rosch. Wahrscheinlich war er ertrunken.
Der Blaue flog aus den Baumkronen jenseits der Palisade herbei und landete vor ihr im Gras.
»Es ist bald vorbei«, murmelte sie. »Flieg zurück nach Altbergen, wenn es vorbei ist.«
Am späten Nachmittag löschten sie das Feuer, rammten einen Pfahl in die heiße Asche und schichteten Reisig und lange Holzstücke um ihn herum auf. Als es zu regnen begann, verankerten sie vier hohe Pfosten rund um den Holzstoß und spannten eine Lederplane darüber, damit Holz und Reisig trocken blieben.
Die Frauen beschimpften Katanja von fern, ein paar Knaben bewarfen sie mit Steinen und Dreck. Selbst die Blicke der kleinen Kinder erschienen ihr feindselig. Ein paar Fischer schleppten ihre Truhe herbei, ihre Bücher, ihre Kleider, ihr Fernrohr. Alles warfen sie auf den Holzstoß. Katanja sah es mit an, und es schnürte ihr die Kehle zu. Sollte denn gar nichts von ihr bleiben? Sollte der Brief, den sie mit Merkur nach Altbergen geschickt hatte, ihr letztes Lebenszeichen gewesen sein?
Gegen Abend dann war es so weit. Sie ketteten Katanja von der Mauer los, rissen ihr den roten Leinenmantel von den Schultern und schleppten sie zum Scheiterhaufen. Dort banden zwei alte Jäger sie an den Pfahl. Ihr Haar war nass, das weiße Wollkleid klebte schwer vom Regen am Leib.
Krächzend drehte der Blaue seine Kreise über ihr.
Einer der Jäger spannte einen Pfeil in seinen Bogen, zielte auf den Vogel und schoss. Katanja hielt den Atem an und legte den Kopf in den Nacken. Sie sah den Blauen unter dem Lederdach hinweg zu den Palisaden flattern und im Uferwald verschwinden. Der Pfeil schlug jenseits der Palisade im Laub eines Baumes ein.
Alle Dorfbewohner versammelten sich nun auf dem Platz zwischen Pfahldorf und Palisade. Die Leute fluchten und beschimpften ihre ehemalige Seherin. Jemand entzündete eine Fackel.
Ein kleiner buckliger Greis humpelte aus dem Wachhaus, Katanja beachtete ihn zunächst nicht. Zwei Wachgänse aber, die in den Brennnesseln an der Wachhausfassade weideten, spreizten bei seinem Anblick auf einmal die Schwingen und rannten schreiend und flügelschlagend zum Stromufer hinab.
Eine Gasse bildete sich in der Menge, der Hauptmann verließ den Steg. Seine Haltung war gebeugt, sein Gang schleppend. Es wurde still, als er durch die Gasse zum Scheiterhaufen kam. Seine Mutter drückte ihm die Fackel in die Hand. »Das böse Weib muss brennen!«, rief eine Frauenstimme, und andere wiederholten ihre Worte. Ein ganzer Chor rief schließlich: »Das böse Weib muss brennen!«
Plötzlich sah Katanja den buckligen Gnom in der ersten Reihe vor dem Scheiterhaufen stehen. Sein Haar war weiß, seine Augen glühten rot, sein dunkles Gesicht war von tausend Furchen durchzogen. Sakrydor! Keiner störte sich an ihm. Bemerkte ihn überhaupt jemand? Von einem Atemzug zum anderen wurde es Katanja leicht zumute. Die Stimmen der Angst in ihrer Brust verstummten.
Der Hauptmann trat an den Scheiterhaufen. Seine Miene war kantig und hart. Mit einer knappen Geste befahl er seinen Jägern, die Pfosten und den Regenschutz über Katanja abzubauen. Unter dem Beifall der Menge räumten Männer die Lederplane weg. Der Hauptmann hob die Fackel, und es wurde still. Langsam senkte er die Flamme, um das Reisig unter dem Holzstoß zu entzünden. Es hatte aufgehört zu regnen. Im Westen schwamm die Sonne über einem rötlichen Horizont. Sakrydor hob den Blick, sah Katanja in die Augen, zog seine buschigen weißen Brauen hoch und
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