Die Tochter Der Goldzeit
schüttelte seinen weißhaarigen Schädel, als wollte er sie tadeln.
Unter den Dorfbewohnern zwischen den Hütten auf dem Plankensteg begann plötzlich eine Frau zu schreien. Der Hauptmann hob die Fackel wieder und drehte sich um. Alle drehten sich um, alle bis auf Sakrydor. Unablässig blickte der Gnom Katanja in die Augen.
»Das Weib muss brennen!«, keifte die Mutter des Hauptmanns und lenkte die Aufmerksamkeit der Siedler wieder auf die junge Frau auf dem Holzstoß. »Der Geist des Stromes verlangt nach der Seele dieser Hexe!« Zeternd drängte sie sich durch die Menge. Auf einmal erfüllte ein Sirren und Pfeifen die Abendluft:. Die Wachen am Palisadentor schrien Warnungen, Frauen warfen sich über ihre Kinder, und dann gingen Speere und ein Pfeilhagel nieder. Getroffene stürzten zu Boden. Jäger rissen ihre Klingen aus den Gurten und Pfeile aus den Köchern. Fischer rannten zu ihren Hütten, um Waffen zu holen.
Männer in gelb-schwarzen Jacken und Umhängen brachen Äxte schwingend aus dem Schilf. Nackte Männer mit gelb-schwarz beschmierten Gesichtern tauchten plötzlich unter den Planken aus dem Strom auf. Sie trieften vor Nässe. Dolche klemmten zwischen ihren Zähnen, Lanzen hingen in Lederschlaufen an ihren Rücken. Ein junger, hochgewachsener Kerl mit einer Mähne aus zahllosen gelb-schwarzen Zöpfen führte sie an. Die Fremden stießen schrille Kampfschreie aus.
Widerhaken krachten plötzlich von außen zwischen die Spitzen der Palisaden, gelb-schwarz gekleidete Krieger kletterten über den Wall, sprangen ins Dorf. Vier erschlugen die Wächter, einer riss das Tor auf. An der Spitze von zwei Dutzend wilden Kriegern stürmte der große Kahlkopf auf den Dorfplatz, den Katanja im Geist des Gefangenen gesehen hatte.
Überall schrien nun Kinder und Frauen in Todesangst, überall tönten die Kampfrufe der Männer. Schon prallten Klingen aufeinander, schon stieg Rauch von den Hütten auf. Von einem Augenblick zum anderen verwandelten sich der Versammlungsplatz und das Hüttendorf in ein Schlachtfeld.
Von Pfeilen getroffen, brach der Hauptmann zusammen. Die brennende Fackel entglitt seiner Rechten und fiel ins Reisig. Der Scheiterhaufen fing Feuer. Katanja schrie auf, wand sich am Pfahl und riss an ihren Fesseln.
Sakrydor griff nach der Fackel und nahm sie aus dem Reisig. Ohne die Kämpfenden, die Sterbenden und Flüchtenden um sich herum zu beachten, beugte er sich über das Feuer. Katanja sah, wie er die Schultern hob, wie sich sein Brustkorb blähte und seine grauen Lippen zu einem Ring formten. Sie traute ihren Augen nicht: Hatte Sakrydor etwa vor, in die Flammen zu blasen? Wollte er sie noch weiter anfachen? Etwas wie dichter Nebel strömte aus seinem Mund, etwas wie eine Böe aus Raureif fuhr zischend ins Feuer. Dampf stieg über dem Reisig auf, die Flammen erloschen.
Sakrydor warf ihr noch einen Blick zu und wandte sich ab. Zwischen den Verwundeten und Toten und Kämpfenden hindurch hüpfte und schaukelte er zum Wachhaus. Die Fackel trug er mit sich.
»Mach mich los!«, rief Katanja ihm nach. »Lass mich doch nicht allein!« Rauch aus dem noch glühenden Reisighaufen unter den Holzstämmen hüllte sie ein, sie hustete, konnte nichts mehr sehen.
Einer der Poruzzen kletterte auf den Holzstoß, keuchend und schwerfällig wie ein alter Mann. Durch den beißenden Rauch hindurch kroch er bis zum Pfahl. Er war halb nackt, trug blutgetränkte Verbände um den Kopf und an der Hand. Es war der Mann, den sie befreit hatte - Waller Rosch! Als er bei ihr war, richtete er sich auf und taumelte gegen den Pfahl.
»Zerschneid meine Fesseln!«, schrie Katanja ihm hustend ins Ohr. Sie begriff, dass er am Ende seiner Kraft war. »Mach mich los!«
Er schnitt ihr die Fesseln durch. Arm in Arm kletterten sie durch den dichten Rauch vom Holzstoß. Sie husteten, ihre Augen schmerzten. In Roschs Körper spürte Katanja das Fieber glühen. An Toten, Verletzten und Kämpfenden vorbei wankten sie zum Tor. Das stand weit offen - keiner verteidigte es mehr. Dahinter sanken sie zwischen den Büschen ins Gras.
»Ruh dich aus«, keuchte Katanja und ließ den halb Ohnmächtigen los. Sie kämpfte den Schwindel nieder und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Der Kampflärm ebbte nach und nach ab. Sie hörte weinende Frauen und Kinder und die Schreie der Verwundeten.
Mit tränenden Augen blinzelte Katanja über den Feuerplatz. Flammen schlugen aus dem Dach des Wachhauses. Tiefländer tanzten mit Triumphgeheul zwischen den
Weitere Kostenlose Bücher