Die Tochter Der Goldzeit
Väter bildeten zwei Kampfrotten, jede versuchte den Mond auf die Erde zu treten. Unseren Vorvätern gelang das, den Göttern der Goldzeit nicht. Der Mond stürzte auf die Erde, die Menschen starben wie die Fliegen, und unsere Vorväter stießen die Götter der Goldzeit von ihren Gipfeln. Dann begann die Götternacht.« Wenz und Zorcan hingen an Wallers Lippen. Der Affe rülpste. »Meine Mutter hat mir diese Legende erzählt«, schloss der junge Poruzze. »War es so gewesen?«
»So ungefähr.« Katanja spähte zum Dorfplatz hinüber. Unter dem Felldach wurden gerade die Bierkrüge neu gefüllt. Svervagos und die beiden Cahn-Brüder stritten lautstark. Die Männer des Dorfes rotteten sich um sie zusammen. Inzwischen wurde es dunkel. »Eure Vorfahren waren Küstenbewohner«, erzählte Katanja. »Sie liebten den Wettkampf. Vor allem den Kampf um eine lederne Kugel liebten sie. In vielen kleinen Clans, die sich in ihren Kleiderfarben voneinander unterschieden, traten sie gegeneinander an. Darunter auch Clans, die jedes Gesetz verachteten und den Krieg liebten. Als dann die Flut kam und ihre Küsten überschwemmte und es kaum noch Könige und Ratsversammlungen gab, um die Völker zu bändigen, stürmten diese Clans die Hochebenen und Gebirge hinauf. Die dort lebten, wichen eine Zeitlang vor ihrer Wildheit und rohen Gewalt zurück. Doch irgendwann, als das Wasser sich allmählich zurückzog, vereinigte ein Herrscher die Überlebenden der Flut und der Kriege für wenige Winter. Er besiegte eure Vorfahren. Damals beherrschten sie bereits die Kunst des Schiffbaus und zogen sich als Nomaden auf die Meere und geheimen Inseln zurück.«
Die Männer lauschten gebannt. Katanja spielte mit dem Gedanken, auch auf die Legende von dem auf die Erde gestürzten Mond einzugehen, denn selbst die hatte einen wahren Kern. Doch sie beließ es dabei und schloss: »Das alles ist bald tausend Winter her.«
Polderau erbrach schwallartig, und Katanja half Wenz, ihn festzuhalten. »Was du alles weißt .« Voller Bewunderung sah Waller Rosch sie an. »Wie klug du bist, Tochter der Goldzeit ...«
Katanja stürzte zu ihm, packte ihn bei den Schultern und drängte ihren Mund an sein Ohr. »Nenn mich nie wieder so!«, zischte sie leise. »Nicht, wenn andere zuhören! Das könnte mein Ende bedeuten!«
Kurz darauf war es vorbei mit dem Fest auf dem Dorfplatz. Gebrüll erhob sich unter dem Felldach, und als Katanja erschrocken hinüberspähte, lag Svervagos strampelnd und schreiend zwischen umgestürzten Gläsern auf dem Tisch. Cahn Rosch riss ihn hoch und stieß ihn zurück auf den Tisch, wieder und wieder. Ein paar Nordländer griffen ein, ein paar Poruzzen stellten sich ihnen in den Weg. In kürzester Zeit entbrannte eine heftige Prügelei. Die Frauen und einige Halbwüchsige flüchteten.
Katanja sprang auf und wollte zum Dorfplatz laufen und schlich-ten. Waller Rosch hielt sie fest. »Zu gefährlich!«, rief er. »Sieh doch: Die Ersten ziehen schon Schwerter und Messer.«
Er hatte recht. »Bringt Polderau und Zorcan auf die Esvalya!«, befahl Katanja. »Die Frauen sollen die Kanus bewachen!« Katanja raffte ihr Sachen aus der Hütte zusammen und schaffte sie an die Anlegestelle in eines der Kanus.
Aus der Prügelei auf dem Dorfplatz wurde rasch blutiger Ernst. Schwerter klirrten, Männer gingen blutend zu Boden. Die Poruzzen waren die besseren Kämpfer, doch die Nordländer drohten sie durch ihre Überzahl zu erdrücken. Katanja zündete kurz entschlossen ihre Hütte an. Als die Flammen die Dunkelheit erhellten und schon auf die Nachbarhütte überzugreifen drohten, zogen sich die Männer des Dorfes endlich vom Kampf zurück. Sie bildeten eine Löschkette. Katanja schrie Otman und Cahn an, die den Nordländern nachsetzen wollten. Endlich kamen die Brüder zur Besinnung. Sie befahlen ihren Kriegern, die Verwundeten und Toten aufs Schiff zu schaffen.
Drei Stunden später zogen betrunkene Seeräuber das letzte Kanu an Bord der Esvalya. An Land, jenseits des neuen Dammes, hatten die Dorfbewohner inzwischen das Feuer gelöscht. Mindestens vier ihrer Hütten waren niedergebrannt.
Cahn Rosch ließ die Anker lichten und die Segel setzen. Er wollte weg von der Küste, weg aus der Nähe der Nordländer. Das Schiff glitt durch die Nacht und die Meerenge der Nordsundeinfahrt.
Katzenjammer herrschte an Bord. Katanja musste mehr als ein Dutzend Verwundete behandeln. Zwei Poruzzenkrieger waren bereits an ihren Stichverletzungen gestorben. Cahn Rosch
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