Die Tochter Der Goldzeit
Kämpfer von Altbergen entkommen. Sie sollten dem grauen Catavar und seinen dalusianischen und albridanischen Heerführern berichten, dass hier oben, an den Hängen über dem Flusstal, mutige Kämpfer warteten, die nicht daran dachten, sich von einer Übermacht abschlachten zu lassen.
Die Männer und Frauen aus Altbergen warteten jedoch nicht lange. Nur bis zum späten Nachmittag. Danach zündeten sie zu beiden Seiten des Tales Feuer an, um die feindlichen Krieger anzulocken, die noch Lust auf Rache hatten. Grittana und Tondobar sollten unbehelligt an der Spitze der Sozietät auf die Wrackinsel fliehen können. Oft würde man fahren müssen, und zwanzig bis dreißig Stunden würde es dauern, bis sämtliche Menschen und Tiere der Sozietät die Zuflucht auf dem Großen See erreichten.
Es begann wieder zu schneien. Keine fremden Krieger tauchten mehr auf. Die Männer und Frauen von Altbergen ließen die Feuer allein, ritten das Tal hinauf, vorbei am gesprengten Staudamm, und überquerten es schließlich auf einer alten Hängebrücke. An den Rändern des Flusslaufes hatte sich schon Eis gebildet. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis auch der Große See wieder zufror.
Bald trafen sie die Gefährten, die auf der anderen Seite des Tales gekämpft hatten. Auch der Katafrakt Friesen hatte keinen einzigen Jäger oder Waldläufer verloren. Nur den ehemaligen Ratsältesten vermisste Friedjan. »Wo ist Linderau?«
»Er sitzt noch im Fels über der Stelle, an der das Wasser die Kriegsrotten wegspülte«, antwortete Friesen.
»Wir konnten ihn nicht überreden, mit uns zu kommen.« Honnis zuckte mit den Schultern. »Er wollte um jeden Preis dort ausharren.«
»Reitet ohne mich voraus.« Friedjan lenkte seinen weißen Widder in den Pfad, über den die anderen gekommen waren. »Ich hole ihn.«
»Linderau ist keiner, der sich einfach so holen lässt«, sagte Friesen, »du kennst ihn doch!«
»Lass es bleiben und komm mit zum Bergwerk.« Honnis wendete sein Tier und winkte Friedjan hinter sich her. »Wir müssen der Sozietät den Rücken decken, wenn sie auf den See hinausrudert.«
»Ich reite zu ihm!« Friedjan drehte sich nicht mehr nach den anderen um. »Sagt meinem Vater Bescheid! Wenn wir es bis zum Einbruch der Nacht nicht mehr schaffen, übernachten Linderau und ich in einem Erdhaus der Außenposten!«
Niemand versuchte mehr, ihn zurückzuhalten. Bald trennte ein Vorhang aus dicht fallendem Schnee Friedjan und die Männer und Frauen um Honnis und Friesen.
Eine halbe Stunde später sah Friedjan den Alten auf einem Felsvorsprung über dem Flusstal sitzen. Schnee bedeckte sein weißes Haar und die Schultern seines braunen Pelzmantels. Eine Elster saß neben ihm in einem kahlen Eichbusch, eine zweite auf seinem angezogenen Knie. Murmelnd sprach er mit den Vögeln; die Elster auf dem Knie krächzte, als würde sie antworten.
»Bald wird man dich vor lauter Schnee nicht mehr von den Steinen hier oben unterscheiden können, Linderau.« Friedjan stieg aus dem Sattel und band seinen weißen Widder im Gestrüpp am Rand der gut dreißig Schritte breiten Lichtung fest. Das Feuer in ihrer Mitte war fast heruntergebrannt; in der Glut zischten die Schneeflocken. Friedjan ging zu dem Alten am Steilhang.
Der drehte sich nach ihm um. Ein Netz blauer Äderchen zeichnete sein schmales, bleiches Gesicht. Seine große Hakennase war rot vor Kälte. »Wenn du in mein Herz sehen könntest, Friedjan, dann würdest du mich schon jetzt nicht mehr von den Steinen unterscheiden können.« Er schien um zehn Winter gealtert, seit er vom Schicksal seiner Tochter erfahren hatte.
Der junge Katafrakt ging neben ihm in die Hocke und legte seinen Arm um ihn.
»Zwei Dinge habe ich mein Leben lang gefürchtet«, sagte Linderau mit brüchiger Stimme. »Ein Kind zu verlieren und einen Menschen töten zu müssen. Über siebzig Winter habe ich kommen und gehen sehen, ohne eines von beiden erleben zu müssen, und nun ...« Seine Stimme brach, er deutete resigniert zur Seite in den Waldhang, wo die toten Krieger des Eisernen und des Grauen lagen; er deutete nach unten ins Tal, wo unter dem Schneetreiben die reißende Flut sich nach und nach in einen gemächlich dahinströmenden Fluss verwandelte. Dann schüttelte er den Kopf, schloss die Augen und bedeckte sie mit der Rechten. Die Elster auf seinem Knie krächzte kläglich.
»Komm mit mir.« Friedjan stand auf und fasste den gebrochenen Mann unter den Achseln. »Ich bringe dich zu deiner Gefährtin und zu
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