Die Tochter Der Goldzeit
Monden zurückgekehrt. Keiner hatte die Frau aus Altbergen gesehen, keiner von ihr gehört. Und Catavar? Auch keine Nachricht, nichts. Boscos Zuversicht wuchs.
»Fahr ans Ufer, Ginolu!« Die Königin drängte sich an ihn und schob ihn zum Bug der Bryta. Dort ließen ihre Seeleute eines der Ruderboote ins Wasser. »Schau dir an, was die Wildsaujäger in dem Karren gefunden haben!« Über eine Strickleiter kletterte Bosco ins Boot hinab. Toryas Krieger ruderten ihn hinüber ans Ufer.
Sieben Schiffe ankerten in der Mitte des breiten Stromes. Nach dem Untergang der Etlantyca hatten Nadolpher und der Eiserne ihr Hauptquartier auf einen der beiden letzten Viermaster der Jusarikaner verlegt. Von einem Unglück war die Rede gewesen, offenbar kam es in Jusarika hin und wieder vor, dass ein Kessel platzte; niemand forschte nach einem Schuldigen.
Auf dem Strom war die Flotte noch eine Tagesreise weit ins Land hinein gesegelt, bis zur ersten größeren Siedlung. Die Eingeborenen dort freuten sich über die Fremden, mit denen sie Handel treiben konnten. Silber und Gold hatten die Jusarikaner genug, wie es schien. Das war auch nötig, denn fünfhundert Mann wollten essen und trinken.
Das Ruderboot durchteilte das Ufergras und glitt ein Stück in einen Graben hinein, bis zu einer Brücke, über die ein Fahrweg führte. Im Geäst der Weiden dort waren bereits die Beiboote der Südländer und des Viermasters festgemacht. Bosco sprang auf die Böschung und kletterte zum Fahrweg hinauf. An schattigen Stellen lag hier noch Schnee.
Gut dreißig Männer umringten den großen Rinkudakarren, ein Drittel davon Einheimische. Mit zweien standen Nadolpher und Maragostes auf dem Karren zwischen Kisten, Körben und Säcken. Eine Kiste war bereits geöffnet. Der Flottenmeister sprach mit den Eingeborenen. Das erstaunte Bosco: Tausende von Seemeilen trennten diese Küste von der Dalusias - wie sollte da einer den anderen ohne Dolmetscher verstehen können?
Die Südländer begutachteten die Rinkudas. Sie betasteten die Flanken und Fesseln, tätschelten Schädel und Nüstern. Ein Gespann aus vier Tieren hatte den Wagen an die Anlegestelle gezogen. Sie hatten dunkles, ungewöhnlich langes Fell und kurze, spitz zulaufende Hornstangen. Die Männer hatten es auf ihr Fleisch abgesehen, worauf sonst? Seit Monden ernährten sie sich vorwiegend von Fisch.
Am offenen Heckverschlag des Karrens stand der Eiserne. Alle hielten Abstand von dem schwarzen Riesen - die Albriden, die Dalusianer, die aus Apenya und die Eingeborenen sowieso. Sogar unter den Jusarikanern wagten sich nur die Offiziere und Primoffiziere in seine Nähe. Auch Bosco musste sich jedes Mal überwinden, ihm nicht auszuweichen.
»Freu dich, Ginolu von Apenya«, tönte es dumpf und freundlich hinter Betavars schwarzem Visier. »Der Kommander ist guter Dinge. Alles wendet sich zum Guten.« Das Licht hinter seinen Augenschlitzen leuchtete heute in einem dunklen Blau.
Bosco nickte nur und stieg auf den Karren. Die freundliche Begrüßung des schwarzen Titans passte nicht ganz zu der Stimmung, die seit Wochen zwischen den Jusarikanern und den südländischen Fischern und Wildsaujägern auf der einen und den Albriden und einigen Dalusianern um Maragostes auf der anderen Seite herrschte. Die Jusarikaner klagten Toryas Ersten Throngardisten an, eine ihrer Frauen vergewaltigt und getötet zu haben. Die Königin deckte Burgas. Und drei Seeleute der Dalusia hatten einen Wildsaujäger bei einer Prügelei erschlagen. Nadolpher hatte sie kurzerhand enthaupten lassen. Dazu verdächtigte eine Seite die andere, den Goldzeitschatz für sich allein besitzen zu wollen.
Bosco war zufrieden mit der Stimmung. Sie gehörte zu dem Plan, den er verfolgte, seit er die Etlantyca versenkt hatte. Er selbst versorgte die brodelnde Gerüchteküche auf den Schiffen mit Leckerbissen. Zum Beispiel hatte er einem geschwätzigen dalusianischen Widderführer gegenüber angedeutet, dass der Goldzeitschatz nach Jusarika gebracht werden und ausschließlich dem fremden Volk dort gehören sollte. Und seiner heimlichen Verbündeten, der Königin, hatte er von einem Gespräch zweier Rotmäntel berichtet, das er belauscht haben wollte. Die Primoffiziere hätten darüber gesprochen, Torya gefangen nehmen zu wollen, sobald der Goldzeitschatz geborgen war.
Bosco begrüßte Nadolpher und den Flottenmeister. Die gelbliche Miene des Zwergs wirkte entspannter als sonst. Ein Leuchten lag in den Fischaugen hinter den dicken Augengläsern.
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