Die Tochter Der Goldzeit
Nadolpher. »Wen sollten wir fürchten?«
»Das Ziel ist zum Greifen nahe, Kommander. Lass uns jedes Risiko vermeiden.«
»Was schlägst du denn vor, Königin von Albridan?«
»Wir sollten uns teilen und diese Unwürdigen von mehreren Seiten angreifen. So wird uns keiner entkommen.«
Was sie vorschlug, war eine Selbstverständlichkeit für jeden Kriegsmann. Bosco wusste, worum es ihr wirklich ging: Sie wollte die beiden Heere endgültig trennen, um den Jusarikanern in den Rücken fallen zu können. Längst war ein Mordanschlag auf Nadolpher geplant. Maragostes und Burgas sollten ihn befehligen, um die verbotenen Waffen zu rauben und den Eisernen damit zu vernichten.
»Einverstanden«, sagte Nadolpher, ohne den Blick von dem blauen Glanz am östlichen Horizont zu wenden. »Morgen nach Sonnenaufgang teilen wir uns. Führt eure Rotten von Norden gegen die Verächter der Wahren Goldzeit, wir rücken von Süden her gegen sie vor.«
Schritte stapften hinter ihnen den Hügel hinauf. Sie drehten sich um: Ein Rotmantel mit einer großen Brandnarbe um den Mund und eine vermummte Gestalt näherten sich. »Was gibt es, Primoffizier?«, blaffte Nadolpher mit hoher Stimme.
»Ich habe eine Meldung zu machen.« Es war der Rotmantel, den Bosco fast zwanzig Sommer zuvor aus dem Spruch Dashirins an Alphatar hatte lesen hören. »Meine Frau hat gesehen, wie dieser da die Vögel vergiftet hat .« Er zog der Vermummten die Kapuze in den Nacken, silberne Haarsträhnen fielen in ein geschwollenes, zerschlagenes Gesicht. Sariza. Bosco erkannte die Bitterkeit in ihren verweinten Augen. Der Rotmantel hatte sie geprügelt. »Meine Frau sah ihn auch auf der Etlantyca, kurz bevor der Kessel explodierte.«
Bosco wusste sofort, dass es vorbei war. Alle Anspannung fiel von ihm ab.
»Er heißt auch nicht Ginolu, es ist vielmehr jener Bosco, den wir einst in Chiklyo trafen ...«
Kapitel 24
Einen blauen Lichtschimmer in der Ferne - anfangs nur nachts, später auch in der Dämmerung -, mehr sahen sie zunächst nicht. Dann, als sie Hügelkette um Hügelkette hinter sich ließen, wurde das Funkeln und Leuchten so kräftig, dass es ihnen auch tagsüber den Weg wies.
Waller Rosch kam zurück ins Lager geritten - drei Tage lang hatte er die Gegend um die Lichterburg ausgekundschaftet. »Ich habe sie gesehen«, sagte er. »Es hat mir den Atem geraubt, so schön ist sie. Und ich habe einen Weg gefunden, auf dem wir in der Deckung eines Flusstales unerkannt zu ihr reiten können.«
»Und die Krieger des Eisernen?«, fragte Katanja. »Hast du die auch gesehen?«
»Die ziehen in einer langen Wagenkolonne heran. Ein Dutzend Speerwürfe südlich der Lichterburg hat ihre Vorhut begonnen, ein Lager aufzubauen.« Waller Rosch ging in die Hocke. Mit seinem Messer ritzte er einen Lageplan in den gefrorenen Schnee. »Das Flusstal liegt fünf Speerwürfe nördlich der Lichterburg zwischen zwei Hügelketten. Wenn wir vorsichtig sind, werden sie uns nicht entdecken.«
Am Morgen des übernächsten Tages ritten sie die letzte Hügelkette vor dem Ziel hinauf. Der bewölkte Himmel war ein einziges blaues Geflimmer. Vom Hügelkamm aus blickten sie in ein weites Tal. Dort, vielleicht fünftausend Schritte entfernt, lag sie wie eine blau erleuchtete Stadt: die Lichterburg. Ein schneebedeckter Wall umgab sie. Aus seinem vielleicht fünfhundert Schritte durchmessenden Innenkreis ragten Fassaden, Türme, Kuppeln und Brückenbogen eines gewaltigen Schlosses. Alles glänzte, alles schien von berückender Größe, alles war in bläuliches Licht gehüllt.
Keiner von ihnen hatte je zuvor ein Bauwerk von derartiger Pracht gesehen. Weronius und Jacub rissen Augen und Münder auf; Zor-can, den sie auf den Sattel seines Mammutwidders gegurtet hatten, stieß entgeisterte Rufe aus; Polderau, hinter ihm auf demselben Tier, begann zu quieken und mit den Armen zu rudern. Katanja und Henner sagten kein Wort. Ihre Mienen verdüsterten sich beim Anblick des strahlenden Bauwerkes. Tiban stieß sogar einen Fluch aus.
»Wie eine Goldzeitstadt sieht sie aus«, sagte Katanja, und der Mann aus Tikanum nickte. Beide kannten Bilder jener untergegangenen Städte aus der Vorzeit.
Waller Rosch trieb sein Reitschaf den Hügel hinunter und in die verschneite Ebene vor der Lichterburg hinein; die anderen folgten ihm.
Der Poruzze führte sie den Weg, den er ausgekundschaftet hatte, bis an die Nordseite der Ebene, wo zwischen zwei Hügelketten ein Flusstal sich durch einen Wald schlängelte. Eine
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