Die Tochter Der Goldzeit
Übersee. Unentwegt sah sie ihm ins Auge, und endlich erkannte er sie. Es war sein Mädchen aus Chiklyo. »Sariza ...« Er wich zurück. »Du lebst ...?« Alle Kraft wich aus seinen Gliedern, nur noch flüstern konnte er. »Du lebst hier ...?«
Sie nickte stumm, ließ ihn los und lief davon. Bosco sah ihr nach, bis sie in einem Zelt verschwand. Davor standen zwei Rotmäntel, die ins Gespräch vertieft schienen.
Nach dieser Begegnung konnte Bosco drei Tage lang nichts essen, so sehr erschütterte ihn das Wiedersehen mit dem Mädchen - mit Sariza. Hatte sie ihn erkannt? Natürlich hatte sie ihn erkannt! Würde sie ihn verraten? Ja, sagte sein Verstand, nein sein Herz.
Halb betäubt hockte Bosco tagsüber auf dem Wagen und dachte an sie. »Hast du Fieber, Ginolu?«, fragte ihn die Königin. Er nickte. Die Nachricht von den ersten erkrankten Graukolks berührte ihn kaum. Immer hielt er Ausschau nach ihr, abends im Lager, tagsüber in der Kolonne; nirgends entdeckte er sie.
Eines Abends schob die Königin sich nahe an ihn heran, als er vom Wagen stieg. »Wir werden siegen«, raunte sie ihm zu. »Alle Vögel sind erkrankt, die ersten Möwen schon gestorben.«
Die Nachricht hob seine Stimmung nicht im Geringsten, sie erreichte ihn ja kaum. Immer hielt er nach der Silberhaarigen Ausschau - nach dem »Mädchen«. Nachts lag er wach und wartete auf den schwarzen Eisenriesen. Doch der kam nicht; keiner kam, ihn zu holen. Sie hatte ihn also nicht verraten. Die Einsicht beschämte ihn sehr; dachte er doch jede Stunde an den Augenblick, als er sie von der Grotte aus unten auf dem Scheiterhaufen stehen sah.
Sieben Tage sollten vergehen, bis er ihr wieder gegenüberstand. Da waren schon sämtliche Vögel verendet.
Am Morgen jenes Tages, als die Wagenkolonne in das schneebedeckte Hügelland hineinrollte, erkannte man den gewaltigen Hochgebirgszug im Osten schon mit bloßem Auge. In der Kolonne sprach sich rasch herum, was die beiden zerlumpten Boten Dashirins dem Kommander versichert hatten: nur noch zwei Tagesreisen bis zur Lichterburg.
Am gleichen Tag um die Mittagszeit kehrten die südländischen Kundschafter zurück, die der Kommander hatte ausschwärmen lassen. Sie hatten die Frau aus Altbergen, den rothaarigen Ritter aus Eyrun und ihre Begleiter entdeckt. »Nur zwölf Stunden trennen uns noch von ihnen«, behauptete der Hauptmann der Späher.
Am Abend des gleichen Tages führten die Gottesboten sie wieder auf einen Hügel - Bosco stand zwischen Nadolpher und der Königin im Schnee. »Seht ihr den blauen Glanz dort über den Hügeln?« Dashirins Boten deuteten nach Osten, und ihre Blicke folgten den ausgestreckten Armen der Männer. Ein Leuchten lag dort auf den Hügelkuppen, ein Flackern wie von einem bläulichen Feuer. »Es ist der Glanz der Lichterburg«, erklärten die Boten. »Dort liegt sie zwischen den Hügeln, in zwei Tagen können wir dort sein.«
Toryas Gestalt straffte sich, Bosco atmete schneller. Nadolpher drehte sich nach dem Eisernen um. »Erkennst du die Gegend wieder, Betavar? Ist dies das Hügelland, aus dem du vor dreihundert Jahren aufgebrochen bist, um uns den Ruf Dashirins nach Jusarika zu überbringen?«
»O ja, Kommander, Betavar erinnert sich wieder!« Der schwarze Riese legte sich die Fäuste auf den schwarzen, von Moos und Flechten bedeckten Helm. Hinter seinen Sehschlitzen leuchtete das gleiche blaue Licht wie über den Bergen im Osten. »Betavar sieht den schönen Glanz der Lichterburg, und in seinem Kopf fügt sich alles wieder zu einer guten Ordnung!« Sein Bass dröhnte, und der Riese schien erregt, doch wie stets klang seine Stimme freundlich und seltsam gleichmütig. »Dort, unter dem Schutze dieses schönen Glanzes, ließ Dashirin Betavar einst durch den klugen Alphatar erbauen. Dort bannte Dashirin Betavars Geist einst in Licht und erschuf ihn nach seinem Bilde. Und aus dem Glanz über diesen Hügeln sandte er Betavar aus, um euch zu sich zu rufen, damit ihr das Erbe der Goldzeit zu neuer Blüte erhebt ...«
»Eine lange Zeit, und nun bist du zurückgekehrt«, sagte Nadolpher.
»Eine lange Zeit, und nun wird alles gut.«
Im Stillen überschlug Bosco die Anzahl der Krieger auf Toryas und Maragostes' Seite und rechnete sie gegen die Jusarikaner und ihre Südländer auf.
Die Königin wandte sich lächelnd an Nadolpher. »Wir sollten die Hexe aus Altbergen und ihre Räuberbande nicht unterschätzen. Sie sind gefährlich.«
»Wir haben beinahe fünfhundert Krieger bei uns«, sagte
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