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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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verschwinden!«
    Die Rothaarige sprach kein Wort mehr, sah die drei Menschen auch nicht mehr an. Sie hob die geschliffene Glaspyramide und die Lampe und ließ das gebrochene Licht zurück zum Ausgang wandern. Grittana wusste, dass sie zu gehen hatten.
    Ohrenbetäubender Lärm erhob sich plötzlich, ein Donnern und Stampfen und Klatschen wie von tausend Stiefeln, Fußsohlen, Pfoten und Flossen, ein Geschrei und Gelächter wie von tausend Stimmen. Der Boden des Wracks erzitterte.
    Erschrocken fuhren die Meisterin und die beiden Männer herum. Die Umrisse unzähliger Gestalten drängten sich draußen vor der Tür über den fast dunklen Gang. Ein größer, silberschuppiger Schädel mit einem Scheitelflossenkamm ragte aus der Menge. Schrittlärm und Geschrei tobte die Treppe hinauf, entfernte sich rasch, und dann war es auch schon vorbei.
    Das Herz trommelte Grittana von innen gegen das Brustbein. Sie zwang sich zu tiefen, ruhigen Atemzügen. Sie sah nach rechts - Tondobar kaute auf seiner Unterlippe herum. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Sie sah nach links - Linderau starrte aus weit aufgerissenen Augen zu der Tür, durch die sie treten mussten, wenn sie wieder nach oben wollten. Sein Unterkiefer zitterte.
    Kurz entschlossen und ohne sich noch einmal umzudrehen, lief die Meisterin zur Tür und spähte in den dunklen Gang zur Treppe. Niemand war dort mehr zu sehen. Sie lief in den Gang und stieg die Stufen hinauf. Linderau folgte ihr wie in Trance, und Tondobar torkelte mehr, als dass er ging. Er stützte sich an der nassen Wand ab, während er die Stufen der schmalen Treppe hinaufstolperte.
    Als sie, oben angekommen, aufs Außendeck traten, verschlug es selbst der Meisterin den Atem: Die anderen Wracks lagen schneebedeckt hinter dichten Nebelschwaden, sie aber standen in Wasserlachen und feuchtem Moos. Der Schnee war geschmolzen. Niemand war zu sehen, alles war ruhig auf dem Außendeck. Keine Spuren, keine Stimmen, nichts.
    Von irgendwo her schien die Wintersonne so hell, dass Grittana geblendet die Augen schloss. Mit beiden Händen schirmte Linderau seine Stirn ab und staunte zum Bug. Grittana folgte seinem fassungslosen Blick: die Birken. Sie hatten ausgeschlagen. Und unter ihren lindgrünen Kronen, auf der moosbedeckten Reling, standen zwei große, langbeinige Vögel; schneeweiß und mit langen roten Schnäbeln. Sie breiteten die weiten Schwingen aus, schwangen sich in die Luft und flogen ohne Eile nach Südwesten in den Nebel hinein.

Kapitel 15
    Der Hofmarschall wirkte erschöpft. Torya sah es mit Befriedigung. Flankiert von vier Throngardisten, stand sie auf der Schwelle des Portals zum Südflügel des königlichen Palastes und versperrte ihm den Weg. »Mein Bruder hat sich bereits zur Ruhe begeben«, beschied sie ihm.
    »Ich muss ihn dringend sprechen!« Der Hofmarschall blieb hartnäckig. Zwei Bewaffnete begleiteten ihn.
    »Die Schwermut schwächt dem König Geist und Glieder. Wir dürfen ihn nicht mit Regierungsgeschäften belasten. Die müssen warten.«
    »Es gibt Dinge, die dulden keinen Aufschub, Prinzessin.«
    »Das scheint mir doch eine sehr männliche Ansicht zu sein.« Torya lächelte kühl. Allein dass er sich nur noch in Begleitung von Schwertmännern in der Öffentlichkeit zeigte, bewies die Verunsicherung des zweitmächtigsten Mannes im Königreich Albridan. Stand er nicht bereits am Abgrund? Sie trat einen Schritt näher zu ihm und senkte die Stimme. »Doch wenn es so dringend ist, will ich dem König deine Botschaft gern ausrichten. Sprich.«
    Die hagere Gestalt des Hofmarschalls straffte sich. »Was ich dem König mitzuteilen habe, ist sehr persönlicher Natur. Ich muss unter vier Augen mit ihm sprechen. Jetzt!«
    »Das kann ich nicht verantworten. Komm morgen wieder.« Sie bot ihm die Hand zum Kuss. »Eine gute Nacht, Hofmarschall.«
    Er wurde bleich, beugte sich mit einer eckigen Bewegung über ihre Hand und hauchte den Kuss auf ihre Finger. Danach drehte er sich um und stelzte davon. Seine Leibgarde folgte ihm.
    Toryas Gardisten verschlossen das Portal. Zwei bezogen dort ihre Posten, zwei folgten ihr zum Eingang der königlichen Zimmerflucht. Dort blieb die Prinzessin stehen und sah den beiden Gardisten in die Gesichter. Junge, kraftvolle Krieger waren das, zum Äu-ßersten bereit und ihr mit Haut und Haaren ergeben. Den drahtigen Taydal hatte sie kurz nach dem Tod ihres Vaters auf dem Sklavenmarkt von Albodon freigekauft, den hünenhaften Burgas aus dem Kerkerkeller geholt und von

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