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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Leinenbeutel im hohen Gras am Wegesrand entdeckte. Aus dem Sack stank es nach totem Fisch.
    «Mein Gott.» Marthe-Marie unterdrückte einen Schrei. «Was hat das zu bedeuten?»
    «Dass sie in der Nähe sein muss», entgegnete Diego. «Los, schreiten wir alle nebeneinander den Uferbereich ab. Gebt auf die Sumpflöcher Acht.»
    Doch Marthe-Marie kletterte hangaufwärts. Sie hatte hinter einer Ansammlung junger Buchen eine schmale waagrechte Felsspalte entdeckt. Da hörte sie auch schon das stoßweise Keuchen, ein Röcheln, unregelmäßig und wie unter großer Anstrengung.
    «Mettel?» Der Angstschweiß trat ihr auf die Stirn. «Bist du das, Mettel?»
    Blitzschnell, mit wenigen Sprüngen war Diego neben ihr und schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite. Auf allen vieren kroch er in die Grotte. «Ruf Sonntag her», klang es dumpf aus dem Dunkel.
    Kurz darauf hatten die Männer sie herausgeschafft. Sie war schwach, aber bei Bewusstsein.
    «Severin, du bist unser bester Läufer. Hol Quirins Eselskarren.» Die Stimme des Prinzipals zitterte. «Sie muss so schnell wie möglich in die Stadt zum Wundarzt.»
    Mettels helle Schürze war in Höhe des Unterbauchs ein einziger dunkelroter Fleck, von ihrem linken Bein war unterhalb des Knies nicht mehr viel vorhanden – ein Flintenschuss hatte ihr den Wadenmuskel weggerissen.
    «Nicht in die Stadt!» Aus ihrem Mundwinkel sickerte Blut. «Der Bannwart – zwei Schüsse. Heute ist Freitag – wollte Fische fangen im Fluss – kein Geld mehr.»
    «Nicht sprechen, Mettel.» In Diegos Augen standen Tränen.
    «Lasst mich hier. Will nicht im Sack ertränkt werden.» Ein Schwall rotschwarzer Flüssigkeit quoll aus ihrem Mund.
    Gütiger Vater im Himmel, lass sie nicht sterben, sie hat doch kein Unrecht getan. Sie hat uns zuliebe gewildert, den Kindern zuliebe. Marthe-Marie begann zu beten, sah, dass auch die anderen beteten.
    «Wenn der Bannwart sie beim Wildern erwischt hat, können wir sie nicht in die Stadt bringen», flüsterte Marusch.
    Marthe-Marie beobachtete, wie Mettels Atem flacher wurde. Ihr Gesicht hatte eine gelbliche Färbung angenommen. Endlich sah sie Quirins Karren den Uferpfad heranholpern, erkannte Maximus, aufrecht und mit der Peitsche in der erhobenen Hand. Plötzlich wusste sie, wer helfen konnte.
    «Die Klosterkirche. Ein Gotteshaus muss Zuflucht und Asyl gewähren.»
    Diego sah sie zweifelnd an.
    «Sie hat Recht.» Sonntag erhob sich, als Maximus vom Karren sprang. «Außerdem ist Mettel mit dem Abt bekannt.»
    Im nächsten Moment stand Maximus vor ihnen, riesig und stumm. Sein vor Schmerz verzerrtes Gesicht wirkte plötzlich alt und verwittert wie die Felsen rundum. Vorsichtig nahm er die Schwerverletzte auf seine kräftigen Arme und trug sie den Abhang hinab zum Karren.
    «Ich fahre mit Maximus zum Kloster», rief der Prinzipal. «Geht ihr ins Lager zurück.»
     
    Kurz nach Sonnenuntergang erschien Sonntag im Lager, allein.
    «Es steht schlecht um Mettel. Sie liegt in der Krankenstube der Klosterschule. Der Abt hat einen Bader und sogar eine Heilerin holen lassen, aber der Blutverlust ist wohl zu stark. Noch ein, zwei Tage vielleicht, dann ist es vorbei. Maximus ist bei ihr geblieben.»
    Am nächsten Morgen machten sich die Frauen auf den Weg ins Kloster. Bevor er die Tür zum Krankenzimmer öffnete, wandte sich der Abt noch einmal zu den Besucherinnen um.
    «Sie ist eben zu sich gekommen. Sie weiß, dass sie sterben wird und hat mich gebeten, ihr die letzte Ruhe bei uns zu gewähren. Da Ihr so etwas wie ihre Angehörigen seid, muss ich Euch fragen: Seid Ihr damit einverstanden?»
    Marthe-Marie brachte kein Wort heraus, Marusch, Salome und Anna antworteten mit einem heiseren Ja.
    «Noch etwas. Mit Sicherheit werden heute die Gerichtsdiener bei Euch auftauchen – Eurem Prinzipal habe ich es bereits gesagt: Am besten wisst Ihr nicht, wo sich Eure Gefährtin befindet. Ich habe erfahren, dass sie bereits einmal vom Bannwart verwarnt worden war, und bin mir sicher, die Richter würde sie liebend gern wegen Wilderei im Sack in der Blau sehen – verzeiht mir diese direkten Worte. Und jetzt kommt.»
    Mettel lag bis zum Hals unter einer sauberen Decke, ihr Gesichtwar gewaschen, das Haar frisiert. Sie schien zu schlafen. Durch das geöffnete Fenster drang frische Morgenluft. Maximus kauerte neben dem Bett und hielt ihre fleckigen, abgearbeiteten Hände in seinen mächtigen Pranken. Er sah nicht einmal auf, als die Frauen eintraten.
    Sie bekreuzigten sich und knieten auf der

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