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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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anderen Seite des Bettes nieder, berührten die Todgeweihte vorsichtig, um zu zeigen: Sie waren bei ihr. Da öffnete Mettel die Augen, blickte erst Marusch an, winkte sie mit einer fast unmerklichen Bewegung des Kopfes heran, flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann waren Salome und Anna an der Reihe, zuletzt Marthe-Marie. Wie in stillschweigender Übereinkunft verrieten sie einander nicht, was Mettel in ihrem letzten Augenblick auf Erden gesprochen hatte.
    Zu Marthe-Marie hatte sie gesagt: «Gib die Suche nicht auf.»

30
    Der junge Wallach ging aufmerksam und willig unterm Sattel. Bereits einen halben Tag waren sie ohne Unterbrechung unterwegs, und sein kraftvoller Schritt ließ noch keine Anzeichen von Müdigkeit erkennen. Mühelos hielt sich der zierliche Falbe, den Jonas eigens für diese Reise gekauft hatte, neben dem Rappen seines Reisebegleiters, einem Neapolitano mit kräftiger Kruppe und Hinterhand, der mit tänzelnden Bewegungen und hoch getragenem, gewölbten Hals seine edle Herkunft zur Schau trug wie ein eitler Junker. Jonas hatte sich einem reitenden Boten in habsburgischen Diensten angeschlossen, der auf dem Weg nach Lindau war. Der Bursche erwies sich weder als besonders redselig noch freundlich, doch er war bewaffnet, und das versprach Sicherheit auf diesen einsamen Wegen durch die oberschwäbischen Lande,zumal sie, um die zahlreichen Mautstellen zu umgehen, die großen Fahrstraßen mieden. So zog auch Jonas es vor zu schweigen und freute sich an der Wärme des Junitages und an der Gutartigkeit seines Reittiers. Er beschloss, den Falben zu behalten, auch wenn es an Hoffart grenzen mochte, sich in der Stadt ein Pferd in einem Mietstall zu halten.
    Wie leicht und mühelos hatte sich ihm das Leben in den vergangenen Monaten darboten. Eines war aufs andere gefolgt, kein Hindernis, keine Schwierigkeit hatte sich ihm in den Weg gestellt, seitdem er an das Schicksal keine Ansprüche mehr stellte. Mit dieser letzten Entscheidung nun würde er seinen beruflichen Werdegang und damit Heimat und Zugehörigkeit ein für allemal festlegen. Und das war gut so. Er wollte keine Höhen und Tiefen, weder Höllenqualen noch dionysische Leidenschaften mehr durchleben. Ginge es nach ihm, so durften die restlichen Jahre seines Lebens grau in grau dahinziehen, ohne Licht und Schatten. Er erwartete nichts mehr von Fortuna. Hiermit gab er seine Existenz in Gottes Hand, sollte Er damit tun, was Er für richtig hielt – Jonas selbst würde sich in alles ergeben.
    Noch vor zehn, zwölf Monaten hätte er sich das niemals vorstellen können. Nicht nach jener Nacht in Freudenstadt, die er, gedemütigt und geprügelt, auf der nackten kalten Erde verbracht hatte. Dass er diese Nacht überstanden hatte, ohne dem Wahnsinn anheim zu fallen oder anderen Schaden an Geist und Seele zu nehmen, wunderte ihn immer noch. Ohne Bewusstsein und ohne Gefühl, einem Wiedergänger gleich, hatte er sich im ersten Morgengrauen erhoben, war in sein Quartier geschlichen und hatte seine Sachen gepackt. Dank des trockenen Sommerwetters war er bereits drei Tage später in Ulm angekommen. An die Reise selbst hatte er keinerlei Erinnerung mehr, ebenso wenig wie an seine Ankunft in der Reichsstadt. Erst als er vor Conrad gestanden hatte, war ihm gewesen, als würde er aus einem schweren Traum erwachen.Unrasiert, mit den schulterlangen Haaren und der staubigen Reisekleidung hatte sein Studienfreund aus Straßburger Zeiten ihn zunächst gar nicht erkannt, ihn dann aber umso gastfreundlicher aufgenommen.
    War das tatsächlich erst letzten Sommer gewesen? Ihm schien, als sei er seit jenem hastigen Aufbruch aus Freudenstadt um Jahre gealtert. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich der Pferdehals vor ihm senkte und sein Wallach trittsicher das steile Ufer eines Bachs hinabschritt, um anschließend ohne zu zögern die kräftige Strömung zu durchqueren. Auf einer Anhöhe zügelte der Bote sein Pferd und deutete auf eine mächtige Burganlage, die auf einem bewaldeten Berg über die Umgebung wachte.
    «Schloss Wolfegg – dort trennen sich unsere Wege. Einen halben Tagesritt höchstens, und Ihr seid in Ravensburg.»
    Jonas bedauerte es nicht sonderlich, als sein wortkarger Reisegefährte sich bald darauf mit einem stummen Handzeichen verabschiedete, und überließ sich wieder seinen Gedanken. Er sah das breite, gutmütige Gesicht seines Ulmer Freundes vor sich, und ein Gefühl von Wärme erfüllte ihn. Er verdankte Conrad Kilgus unendlich viel.
    Conrad war ein

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