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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Hast du keine einfachen Sachen dabei?»
    Marthe-Marie schüttelte den Kopf.
    «Du kannst von mir ein Kleid haben. Aus einer Zeit, als ich noch rank und schlank war.»
    Kurz darauf tippelte Agnes auf ihren krummen Beinchen mit den anderen Kindern durch das Gras. Sie genoss sichtlich die Weiteder Uferwiesen, die vielen Menschen und Tiere. Die Kinder der Gaukler nahmen sie sofort in ihrer Mitte auf, doch Marthe-Marie gegenüber zeigten vor allem die Heranwachsenden Scheu oder Argwohn. Marthe-Marie beschloss, sich nicht darum zu kümmern. Als sie mit Ästen und Zweigen beladen zur Feuerstelle zurückkehrten, waren dort bereits mehrere Dreigestänge mit Wasserkesseln aufgestellt.
    «Jetzet bisch du fascht oine von ons!»
    Vor Überraschung ließ Marthe-Marie fast ihr Brennholz fallen. Don Diego, der Spanier, hatte sie in breitestem Schwäbisch angesprochen.
    «Ach, schöne Frau», er rollte wieder das R und strahlte sie an. «Nicht böse sein. Kann ich sprechen in zwei Sprachen, weil Papa aus Andalucía und Mama aus schöne Schwabenland. Sogar in drei: Ich kann auch nach dem vornehmen Kanzleideutsch sprechen, ganz wie du willst.»
    Marthe-Marie holte hörbar Luft und ließ ihn dann stehen. Dieser Gockel. Sollte er sich doch über andere lustig machen.
     
    In schmalen Säulen stieg der Rauch der Feuerstellen in den kalten Nachthimmel. Vom Wald her klang der Ruf eines Käuzchens. Die Musikanten begannen, leise auf ihren Flöten zu spielen.
    Sie saßen in mehreren Gruppen beisammen, die Höker und Krämer, Kesselflicker und Scherenschleifer etwas abseits. Mit Frauen und Kindern umfasste der Tross mindestens vierzig Leute. Marusch hatte Marthe-Marie nur der Truppe um Leonhard Sonntag vorgestellt, als Agatha Müllerin, falls sie irgendwo in Kontrollen der Vorderösterreicher geraten sollten, wie sie ihr später erklärte. Den Rest der Fahrenden würde sie im Laufe derTage von selbst kennen lernen. Eher nicht, hatte Marthe-Marie gedacht, als sie die abschätzigen, misstrauischen Blicke von den anderen Feuerstellen wahrnahm.
    Sonntag selbst war zwar nach zwei, drei Bechern Wein tatsächlichfreundlicher geworden, er wandte sich jedoch nach einem kurzen Gespräch mit ihr für den Rest des Abends den anderen Komödianten zu. Außer Don Diego waren dies noch zwei junge Männer mit langem, zu einem Zopf gebundenen Haar, ein älterer, schweigsamer Mann und ein kräftiger mit gutmütigem Gesicht, der Frau und Sohn bei sich hatte.
    Diego setzte sich neben sie.
    «Soll ich dir noch etwas zu trinken holen?»
    «Danke, nein. Ich bin todmüde.» Sie hob Agnes auf den Arm.
    «Dann komm.» Marusch nahm sie bei der Hand. «Ich bringe dich zum Wagen und zeige dir deinen Schlafplatz.»
    «Buenas noches!»,
rief Diego ihr nach.
    Im Wagen entzündete Marusch ein Talglicht und führte sie in die Ecke, die sie für Mutter und Tochter freigeräumt hatte. «Leider müsst ihr euch einen Strohsack teilen.»
    «Das macht doch nichts.» Marthe-Marie zog aus ihrer Kiste spitzenbesetztes Weißzeug und breitete es über die Bettstatt. Marusch pfiff anerkennend durch die Zähne.
    «Man sieht, dass du aus einem anderen Stall kommst. Mal sehen, wie lange du es bei uns aushältst.»
    «Sag so was nicht. Ich bin dir und den anderen wirklich sehr dankbar.» Sie legte Agnes, die auf ihrem Arm eingeschlafen war, behutsam auf das Laken und deckte sie zu. «Dieser Don Diego – der spielt doch von morgens bis abends Theater, nichts an ihm ist echt, oder? Ist er nun Schwabe oder Spanier?»
    Marusch zuckte mit den Achseln. «Weißt du, hier hat jeder seine Geschichte, und manchmal ist es besser, man stellt nicht allzu viele Fragen.»
    «Und warum sind von euren Leuten viele so feindselig mir gegenüber?»
    «Nimm’s ihnen nicht übel. Du gehörst nicht zu ihnen, das ist alles. Bei Diego ist es was anderes, er war nicht immer Gaukler.»
    «Und du?»
    «Meine Geschichte erzähle ich dir vielleicht ein andermal. Jetzt schlaft wohl, ihr beiden.»
    Als Marthe-Marie mit Agnes in der engen Koje zwischen der Rückwand und einem Stapel Brettern lag, wälzte sie sich noch lange hin und her, ohne Schlaf zu finden. Wie nah war sie dem Tod gewesen! In ihrem Kopf jagten sich die Bilder und Eindrücke der vergangenen Tage und quälten sie bis tief in die Nacht: die zerbrochene Flöte auf der Schwelle, das in Asche gemalte Pentagramm, der schwarze Teufel über ihr und immer wieder das Messer in seiner Faust. Dazwischen schoben sich die angstvolle Miene der alten Wirtin und die

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