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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Jonas.» Marusch klatschte begeistert in die Hände. «Sie kutschiert den Wagen, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.»
    «Ich hatte schon als Kind mit Pferden zu tun, das ist alles. Ich kann schließlich auch reiten.»
    «Du kannst reiten?» Jonas sah sie ungläubig an. Sie wirkte so zart und überhaupt nicht, als würde sie ein Pferd bändigen können. «Das glaube ich nicht.»
    «Dann werde ich es dir beweisen.»
    Marusch beugte sich zur Seite und brüllte nach hinten: «Leonhard, ich brauche deinen Schimmel. Unser neuer Freund kommt ihn holen.» Dann nickte sie Jonas auffordernd zu. «Jetzt könnt ihr ein Wettrennen machen.»
    «Aber das ist zu gefährlich.»
    «Ist es das?» Sie sah Marthe-Marie an.
    «Nein. Ich kann bloß in diesem Rock nicht reiten.»
    Jonas war erleichtert. Er hatte Marthe-Marie nicht in Gefahr bringen wollen. Die beiden Frauen flüsterten miteinander, dann verschwand Marthe-Marie unter der Plane.
    «Auf was wartest du noch, Maestro? Oder traust du dich nicht?»
    Als Jonas mit dem knochigen Grauschimmel, der Diego und Sonntag als Reitpferd diente, zurückkam, saß Marthe-Marie wieder auf dem Kutschbock und lachte ihn herausfordernd an. Sie trug die alte Harlekinhose des Prinzipals, die ihr viel zu weit war.
    Marusch blies in ihr Horn und brachte den Tross damit zum Halten. «Jetzt tauscht ihr die Pferde, das ist gerechter. Auf mein Zeichen hin geht es los.»
    Jonas wollte Marthe-Marie auf seine Stute helfen, doch sie wehrte ab. Mit einem Schwung war sie oben und nahm die Zügel auf. «Nehmen wir die Strecke bis zum Waldrand dort hinten?»
    Er nickte, obwohl ihm nicht wohl war bei der Sache. Sie durchquerten das Bachbett neben der Straße und stellten sich am Rand der Wiese auf. Die Pferde schnaubten erwartungsvoll. Jonas wandte sich um: Alle sahen gebannt zu ihnen herüber, nur Leonhard Sonntag stand laut fluchend bei seiner Gefährtin.
    Marusch stieß ins Horn, und die Pferde preschten los. Der Grauschimmel mit seinen langen Beinen und den raumgreifenden Galoppsprüngen lag schnell in Führung, doch er schien nicht so ausdauernd zu sein, denn auf halber Strecke sah Jonas im Augenwinkel seine Stute aufholen. Er trieb den Schimmel an, doch Zoll für Zoll kam Marthe-Marie näher. Jetzt lagen die Pferde auf gleicher Höhe. Marthe-Marie schien mit dem Pferd vollkommen eins, ihr Gesicht strahlte, ihre Haube hatte sich gelöst und gab ihr glänzendes schwarzes Haar frei.
    Dann sah er vor sich den Graben. «Vorsicht», schrie er, der Schimmel stockte kurz, um dann ungelenk hinüberzusetzen, während Marthe-Marie mit seiner Stute das Hindernis in elegantem Schwung nahm. Beinahe wäre er aus dem Sattel gerutscht. Nun hatte Marthe-Marie endgültig an Vorsprung gewonnen und kam drei Pferdelängen früher am Waldrand an.
    «Glaubst du mir jetzt?» Sie lachte. Ihre Wangen waren gerötet, eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Wie glücklich sie aussah!
    «Wer hat dir das beigebracht?»
    «Mein Vater. Er war früher Soldat.» Sie klopfte ihrem Pferd den Hals. Im Schritt kehrten sie zur Landstraße zurück.
    «Hast du Familie in Offenburg?», fragte Jonas.
    Sie zögerte einen Moment. «Ja. Ich will dort meinen Vater besuchen.»
    Jonas fiel ein Stein vom Herzen, und er schalt sich einen Dummkopf. Zu denken, Textor sei ihr Vater.
    Sie sah ihm offen ins Gesicht. «Und du? Was wirst du machen, wenn dein Auftritt in Offenburg vorbei ist?»
    «Ich gehe wieder nach Straßburg und werde weiterstudieren.»
    Er hätte sich ohrfeigen mögen. Warum nur musste er schon wieder lügen? Tat er das Textor zu Gefallen oder wegen Magdalena?
    Er nahm seinen ganzen Mut zusammen. «Warum nennst du dich Agatha? Du heißt doch Marthe-Marie Mangoltin.»
    Sie wurde kreidebleich. Alle Fröhlichkeit war aus ihrem Gesicht gewichen, und sie biss sich auf die Lippen.
    «Glaub mir, Marthe-Marie, du kannst mir vertrauen. Ich weiß, dass der Freiburger Rat dich sucht, und sobald du dich dort zeigst, wirst du eingekerkert wegen Hexerei und Mordversuch. Ich weiß nicht, wie du da hineingeraten bist, ich weiß überhaupt nichts über dich, aber du musst auf mich hören: Versprich mir, dass du nie wieder nach Freiburg gehst.»
    «Wer hat dir das erzählt?»
    Wieder log er. «Ich habe es im Lager gehört.»
    «Dann glaub, was du willst.» Für den Rest des Weges schwieg sie.
    Der Prinzipal empfing sie mit gereckter Faust. Was für nichtsnutzige Kindsköpfe sie seien, ihr einziges Reitpferd zuschanden zureiten, und man müsse sie

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