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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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sehnsüchtig auf ihren Bräutigam wartet.»
    Marthe-Marie sah den Ausdruck kindlicher Verlegenheit auf Jonas’ Gesicht. Sie sah diese Augen, und mit einem Mal wusste sie, woher sie ihn kannte: Jonas Marx war es, der sie in Freiburg gerettet hatte. Jetzt verfolgte er sie weiterhin wie ein Schatten. Zu ihrem Schutz oder zu ihrem Verderben? Handelte er im Auftrag eines anderen? In ihrem Kopf begann es sich zu drehen. Wo war eigentlich Diego?
    In diesem Moment rief Sonntag: «He, Spanier, setz dich endlich zu uns.»
    Diego trat aus der Dunkelheit und nahm stumm den Becher entgegen, den der Prinzipal ihm reichte. So übellaunig hatte Marthe-Marie ihn noch nie erlebt. Nicht einmal den üblichen herausfordernden Blick warf er ihr zu. Belustigt stellte sie fest, dass ihr etwas fehlte, wenn er sie nicht beachtete. Nicht dass sie hinter seinem Verhalten ernsthafte Absichten vermutet hätte, denn er kokettierte mit allen Frauen. Doch dieses Spiel zwischen ihnen begann ihr zu gefallen.
    «Was schaust du so missmutig drein?» Sonntag legte ihm den Arm um die Schulter. «Die Einnahmen sind doch geflossen wie Butter in der Sonne.»
    «Ich habe sie satt, diese bluttriefenden Zoten und Possen. Der reisende Schneider mit dem bösen Pferd, die tanzende Schwiegermutter, diese Moritat vom Kinderfresser – das ist doch alles Schund und Schwachsinn. Und an hohen Festtagen führen wir die erhabenen Mirakel der Christenheit auf, bei denen jedem Zuschauer von halbwegs gesundem Verstand das Gähnen kommt. Du hattest mir doch im Winter versprochen, dass wir neue Stücke einstudieren. Nie ist etwas daraus geworden. Und nächste Woche in Offenburg willst du schon wieder den alten Zinnober aufführen.»
    «Du weißt selbst, dass wir die Zeit zum Einstudieren nicht hatten. Sei doch froh, dass du fast immer die Rolle des strahlenden Helden hast, während ich den dummen Tölpel mime.»
    «Dann lass es uns wenigstens für den Sommer ins Auge fassen, wenn wir in Friedrichs Freudenstadt gastieren.»
    Der Prinzipal seufzte. «Gut, einverstanden. Aber nur, weil ich es mir mit dir nicht verderben will. Und kein Stück von diesem Schackschpier.»
    Diego grinste.
    Marthe-Marie hatte dem Gespräch aufmerksam zugehört.
    «Was für Schauspiele würdest du denn gern aufführen?»
    Diego setzte sich zwischen sie und Jonas, der unwillig zur Seite rückte.
    «Hamlet, den Sommernachtstraum, Romeo und Julia – das sind richtige Theaterstücke, die leider in unserem Land noch völlig unbekannt sind. Alle übrigens von William Shakespeare. Oder der Faust von Christopher Marlowe. Hast du von Shakespeare und Marlowe gehört?»
    «Es sind Engländer, oder?»
    «Ja. Shakespeare ist Dichter und Schauspieler zugleich. Er ist der Größte überhaupt, er wird Jahrhunderte überdauern mit seinen Werken. Auch wenn es gewisse kleingeistige deutsche Komödianten nicht glauben mögen.»
    Er nahm ihre Hand, schloss die Augen und deklamierte mit bebender Stimme:
    «O so vergönne, teure Heilige nun,
    Dass auch die Lippen wie die Hände tun.
    Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
    Dass Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre.»
    Dann küsste er ihre Hand und sah ihr mit flammendem Blick in die Augen. «Liebste Julia, folge mir nach England, in das gelobte Land der Theaterkunst. Dort gibt es eigens eingerichtete Theaterhäuser, in die die Menschen in Scharen strömen, der Adel wie dasgemeine Volk. Die Schauspieler werden verehrt und geachtet. Und nicht mit Eiern beworfen wie bei uns.»
    «Du mit deinen Phantastereien.» Marusch verdrehte die Augen. «Ein Haus nur fürs Theaterspielen! Aber bevor du jetzt den Giftbecher nimmst und Julia sich das Schwert ins Herz stößt, lasst uns lieber tanzen.»
    Sie sprang auf und klatschte in die Hände. «He, ihr Fiedelputzer dort drüben, runter mit dem letzten Bissen und Musik gemacht.»
    Mit einem Schellenring in der Hand begann sie sich im Rhythmus der Trommel anmutig in der Hüfte zu wiegen, dann setzten Flöte und Sackpfeife ein und schließlich zwei Fiedeln. Marusch schlug das Tamburin, wand und drehte sich dabei, erst ruhig wie eine Katze, die sich streckt, dann immer schneller, bis ihre nackten Füße nur so über das Gras wirbelten. Noch nie hatte Marthe-Marie jemanden auf diese Weise tanzen sehen. Und die Fiedler spielten eine Melodie, die so mitreißend, leidenschaftlich und zugleich abgrundtief traurig klang, dass es ihr die Tränen in die Augen trieb.
    Inzwischen waren alle aufgestanden und bildeten einen Kreis um Marusch und

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