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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Umsätze erzielt. Die Menschen in diesem Schwarzwaldtal schienen nach Abwechslung zu gieren.
    Nachdem der Prinzipal zum Ende der Vorstellung wie üblich dem Magistrat für die noble Erlaubnis zu diesem Spectaculum magnificum gedankt hatte und die Jungen auf ihren Stelzen den Obolus eingetrieben hatten, begannen sich die Zuschauer zu zerstreuen. Da erst entdeckte Marthe-Marie am Marktbrunnen die beiden Zöllner, die ihr mit einem breiten Grinsen im Gesicht zuwinkten.
    Sie holte Marusch hinter dem Bühnenwagen hervor.
    «Ich glaube, unsere beiden Freunde warten auf uns.»
    «Das fehlt mir gerade noch zu meinem Glück.» Marusch hakte sich bei ihr unter. «Na gut, begrüßen wir sie wenigstens. Ein wenig Freundlichkeit kann dem Geschäft nicht schaden.»
    Ohne ihre Spieße wirkten die beiden weit weniger Respekt einflößend. Der größere hatte den Hals voller Pickel, der Dicke stank deutlich nach altem Schweiß.
    «Und? Wie haben Euch die Darbietungen gefallen?», fragte Marusch.
    «Noch besser würde uns gefallen», der Dicke drängte sich vor, «wenn Ihr uns auf einen Schluck in den ‹Schwanen› begleiten tätet. Ihr seid selbstverständlich eingeladen.»
    «Leider haben wir unser Lager ja bei der Sägemühle, und ehe es dunkel wird und die Tore schließen, müssen wir zurück.»
    «Dann bleibt uns noch eine gute halbe Stunde. Ich könnte euch meinen Vetter vorstellen, einen wichtigen Mann im Magistrat.»
    Misstrauisch trat Sonntag heran. «Und was macht Euer Vetter so Wichtiges im Magistrat?»
    «Oh, der Herr Prinzipal, wie ich vermute. Gestatten, Johann Krötz und Anton Schray. Zöllner in städtischen Diensten. Nun, unser Vetter bewilligt zum Beispiel Lizenzen für fahrende Leute. Aber kommt doch mit in den ‹Schwanen›, um ihn kennen zu lernen.»
    «Keine Zeit. Wie Ihr seht, sind wir mit Aufräumen beschäftigt.»
    «Dann erlaubt wenigstens den beiden Künstlerinnern, mit uns zu kommen.»
    «Da gibt’s nichts zu erlauben. Entweder wollen sie oder sie wollen nicht.» Sonntag klappte mit Lamberts Hilfe die Seitenwand des Wagens, die als Bühne diente, nach oben. «Wenn der Hochwächter zum Torschluss bläst, treffen wir uns alle am Kinzigtor. Gute Nacht, die Herren.»
    «Auf einen Krug Bier, einverstanden», beschied Marusch. «Ich habe Durst.»
    Die Schankstube im «Schwanen» machte den Eindruck, als würden hier alles andere als Ratsherren verkehren. Sie war überfüllt, die Luft zum Schneiden, und nur mit Mühe fanden sie vier freie Plätze auf einer Bank. Marthe-Marie saß eingezwängt zwischen ihrer Freundin und Anton Schray, dem größeren der beiden Zöllner. Die Tischplatte aus rohem Holz war voller Schlieren und Flecken, die Bierkrüge, die der Wirt ihnen brachte, klebten am Henkel. Die meisten Gäste, auch die wenigen Frauen, waren ganz offensichtlich betrunken.
    «Ich glaube, das war kein guter Gedanke», flüsterte Marthe-Maria Marusch zu.
    «Du hast Recht. Trinken wir aus und gehen.» Laut sagte sie zu Johann Krötz: «Und wo ist Euer Vetter?»
    «Er wird sicher gleich kommen.» Krötz wollte den Arm um ihre Schulter legen, doch Marusch rückte von ihm ab.
    «Na, na! Nicht so vertraulich.»
    Krötz lachte. «Ein wenig Spaß werdet Ihr doch wohl vertragen. Zum Wohl!»
    Er trank seinen Krug zur Hälfte leer und rülpste. Dann beugte er sich quer über Maruschs Schoß hinüber zu Marthe-Marie.
    «Und Ihr? Seid Ihr auch so spröde? Ich dachte, bei euch Gauklern weiß man das Leben zu genießen. Los, Toni, nicht so schüchtern, du hast nicht jeden Tag so eine schöne Frau neben dir.»
    «Wir gehen jetzt besser.» Marthe-Marie nahm Tonis Hand von ihrem Rock. Doch Krötz ließ sich davon nicht beirren. «Dass sich die Weiber immer so zieren müssen! Sogar bei den Gauklern, wer hätte das gedacht. Aber wir sind keine Zechpreller und wissen, was sich gehört.» Er rückte wieder näher an Marusch. «Gehen wir ins Nebenzimmer, da ist es gemütlicher. Ihr werdet nicht zu kurz kommen, weder beim Lohn noch beim Vergnügen.» Seine Hand senkte sich tief in Maruschs Ausschnitt.
    Sie holte aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    «Du elende Fut!» Das Gesicht des Zöllners wurde rot vor Zorn. «Von solchen wie dir lass ich mich nicht zum Narren halten.»
    Doch Marusch schob ihn mit ihren kräftigen Armen einfach zur Seite und zwängte sich mit Marthe-Marie aus der Bank in Richtung Tür.
    «Verdammte Winkelhuren», brüllte der Dicke ihnen hinterher. «Erst mitkommen und den Zapfen heiß machen und dann

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