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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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da unsere Anwesenheit vermutlich einige Fragen nach sich gezogen hätte. Die Tante war wegen der Vorbereitungen völlig aus dem Häuschen. Alle rückten emsig Möbel und lüfteten Wäsche aus, und Margaret und ich wurden immer wieder losgeschickt, um aus dem gefrorenen Bach Wasser zum Putzen und Kochen zu holen. An dem Tag, als der Reverend eintreffen sollte, wurde ich in den Keller beordert, um Gemüse zu holen. Und so saß ich bedrückt in der Kälte und sortierte einen Korb mit Äpfeln. Durch die offene Falltür drang nur wenig Licht herein, sodass die weiter entfernten Wände in dämmrigen Schatten versanken. Margaret und ich hatten uns schon oft in den Keller geschlichen, um einander unsere Geheimnisse anzuvertrauen. Meistens pusteten wir dann die Kerze aus, saßen in der Dunkelheit und erzählten uns Geschichten von Gespenstern und ruhelos umhergeisternden Toten. Die Spinnweben, die uns streiften, wurden zu Schwingen der Inkubi. Das leise Scharren eines Käfers deuteten wir als ein kriechend herannahendes Ungetüm, das uns in den Knöchel beißen würde. Wir malten uns die schauerlichsten Gräuelmärchen aus, bis ich, das Haar gesträubt wie das Fell eines Hundes, aus dem Keller flüchtete. Andrew nützte solche Gelegenheiten gern, um uns hinter dem Tisch oder einem Stuhl aufzulauern, kreischend herauszuspringen und schauerliche Grimassen zu schneiden. Auch jetzt hörte ich wieder, wie er Kratzgeräusche machte und keuchte wie ein Ertrinkender, damit ich mich allein im dunklen Keller gruselte. Doch ich biss in einen verschrumpelten Apfel, fest entschlossen, mich von Andrews Albernheiten nicht Bange machen zu lassen. Aber die Frucht war mehlig, weshalb ich sie auf den Schoß sinken ließ. Wasser sickerte durch die Mauer neben meinem Kopf, tropfte dunkel und ölig zu Boden und drohte mir den Rocksaum zu durchweichen. Ich war bitterlich enttäuscht, weil ich von der abendlichen Einladung ausgeschlossen war, denn es wurde nicht nur der Reverend, sondern auch Margarets älterer Bruder Allen erwartet. Der Haferbrei, den ich zum Frühstück gegessen hatte, stieß mir sauer auf und lag mir wie ein Stein im Magen. Wieder betrachtete ich den Apfel, der auf meiner Schürze lag. Das schimmernde Fruchtfleisch hatte sich in den letzten Monaten nicht verändert, die Schale hingegen einen stumpfen, rostroten Farbton angenommen. Doch da ich mit den Zähnen Löcher in die Schale gebohrt hatte, war das weiße Fruchtfleisch nun gelblich-braun geworden, als hätte sich ein Schatten daraufgelegt.
    Vor Einbruch der Dunkelheit bekamen Hannah und ich etwas zu essen und wurden in Margarets Zimmer geschickt. Bei Sonnenuntergang traf Reverend Nason ein. Margaret hatte mir ein Loch in der Wand gezeigt, durch das ich alles beobachten konnte. Nun hielt ich Hannah den Mund zu und legte das Auge an die Öffnung. Der Reverend war ein recht beleibter Mann, hatte allerdings einen erstaunlich kleinen Kopf. Seine Haut war blass und glänzte wie mit Eiklar eingepinselt. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und er hatte für einen so großen Mann sehr zierliche Ohren. Mich erinnerte er an einen gewaltigen Brotlaib, der zu viel Hefe abbekommen hat. Ich hielt den Atem an, denn er ließ den Blick so aufmerksam durch den Raum schweifen, dass er mein an das Loch in der Wand gepresstes Auge sicher bemerken würde. Er musterte jeden schlichten Haushaltsgegenstand, betastete die Tischwäsche, überprüfte die Verzapfung sämtlicher Stühle und hob die Zinnkrüge an, um zu sehen, wie schwer sie waren. Kurz darauf erschien Allen, den ich auf Anhieb nicht leiden konnte. Er war dunkelhaarig und hatte die hohe Stirn seines Vaters geerbt. Sein Gesicht jedoch war schmal wie das eines Frettchens, und die vollen Lippen wollten nicht zu den eng zusammenstehenden Augen passen, die keinen sehr freundlichen Eindruck machten. Seine Miene war die eines Mannes, der gerade ein in Essig getauchtes Stück Brot gegessen hat. Jedenfalls traute ich ihm ohne weiteres zu, dass er gerne kleine Kinder schikanierte oder Tiere quälte.
    Der Reverend lobte die Kochkunst der Tante und rechtfertigte seine Völlerei mit Zitaten aus der Bibel. »Wie Sie wissen, Goodwife Toothaker«, sagte er mit vollem Mund, sodass Essensbröckchen auf den Tisch fielen, »heißt es im Buch Isaias, Kapitel fünfundzwanzig, Vers sechs, dass sich Gottes Gnade auch im Brot auf dem Tisch zeigt. Diese Speisen sind wahrlich eine angemessene Ergänzung zu dem Festmahl, das Gottes heiliges Wort der Seele

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