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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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und schreiben Sie es sich hinter die Ohren, der einzige Weg, den das Gesetz erlaubt.« Er warf die Bibel auf den Tisch. »Das ist Gottes Hammer, der das Schwert des Teufels für immer zerschmettern wird. Wenn Sie Pisse in einem Topf kochen, werden Sie sich nur Ärger einhandeln, ganz gleich, wie gut es auch gemeint sein mag.« Er bedachte meinen Onkel mit einem tadelnden Blick. Dieser schwieg für den Rest der Mahlzeit.
    Endlich verschwand der Reverend, gefolgt von einer Wolke von Krümeln. Ich kam aus meinem Versteck und ging auf meinen ältesten Cousin zu, der mich finster ansah. Als er die Arme verschränkte und den Kopf wie lauschend zur Seite neigte, wusste ich genau, dass er mich ebensowenig leiden konnte wie ich ihn. Etwas an ihm sorgte dafür, dass mir die Schneidezähne schmerzten, als hätte ich in einen unreifen Pfirsich gebissen, der fast nur aus Stein bestand.
    »Findest du nicht, dass es gefährlich ist, die beiden aufzunehmen?«, wandte er sich an seinen Vater. »Schließlich ist Thomas’ Familie dafür bekannt, dass sie Krankheiten überträgt.«
    Da ich spürte, wie mir die Zornesröte den Hals hinaufstieg, senkte ich den Kopf, um mein wahres Gesicht zu verbergen. Vater und Sohn zündeten ihre Pfeifen an, und als der Rauch dick in der Luft schwebte, stützte Allen die Arme auf den Stuhl, wo der Onkel saß. »Dein Vater hat damals die Pocken nach Billerica gebracht«, sagte er zu mir. »Und außerdem hat er eine zwielichtige Vergangenheit.«
    »Mein Vater braucht sich vor niemandem zu verstecken«, entgegnete ich und spürte, dass der Hass sich wie schwarzes Eis in mein Herz fraß. Dabei fragte ich mich, ob es das war, was der Onkel mit seiner Äußerung, mein Vater habe Blut an den Händen, gemeint hatte.
    Allen beugte sich herunter, bis er mit mir auf Augenhöhe war. »Man könnte fast glauben, dass er sich für etwas Besseres hält, seit er sich im Haus unserer Großmutter eingenistet hat.« Wenn ich ein Junge gewesen wäre, ich hätte alle Vorsicht über Bord geworfen und ihn auf die Nase gehauen.
    Der Onkel legte Allen die Hand auf den Arm. »Du darfst nicht vergessen, dass Sarah zur Familie gehört und dass wir sie gut behandeln müssen, solange sie hier ist«, schalt er. Allerdings sprang er nicht für meinen Vater in die Bresche, und sein verkniffenes Lächeln hinter der Wolke aus Pfeifenrauch traf mich noch mehr als Allens Beleidigungen.
    Später im Bett kehrte ich Margaret schmollend und zornig den Rücken zu, bis sie mich überredete, mich zu ihr umzudrehen. »Ärgere dich nicht, Cousine«, flüsterte sie. »Du wirst meinen Bruder ebenso lieben wie ich, wenn du ihn erst besser kennst. Du wirst ihn genauso lieben, wie ich dich liebe.«
    Ich senkte den Kopf und schmiegte das Gesicht in ihre Halsbeuge. Allerdings war ich noch nicht müde, sondern wollte nur verbergen, dass mir gerade ein Gedanke gekommen war, der mich vor Scham erröten ließ: Ich wünschte mir ja so sehnlich, ich würde Waise werden und für immer im Haus meiner Cousine bleiben können - mit Roger als Vater, Mary als Mutter und Margaret als meine Herzensschwester. Vermutlich wollte Gott mich für dieses Ansinnen bestrafen, denn am nächsten Tag kam Vater, um mich abzuholen.

    Am folgenden Morgen traten Margaret und ich Arm in Arm aus der Scheune und genossen die bleichen Strahlen der Sonne, die sich immer wieder hinter blaugrauen Wolken versteckte. Wir kauerten uns hin, um den aufgeweichten Boden zu betrachten, wo bereits die ersten Triebe der Blumenzwiebeln aus dem schmelzenden Schnee lugten. Der Frühling hielt mit raschen Schritten Einzug, und in der Luft lag ein metallischer Geruch wie in einer Schmiedewerkstatt. In Zukunft sollte mich jeder Frühlingsanfang an meine Cousine erinnern, die, ein begeistertes Lächeln auf den Lippen, die erste Wärme in sich aufsog, während im Hintergrund die Wolken über den Himmel rasten.
    Im ersten Moment erkannte ich meinen Vater gar nicht und sah nur einen Riesen am Tisch sitzen, als ich in die Wohnküche kam. Meine Tante hatte ihm gegenüber Platz genommen und laut schluchzend die Hände vors Gesicht geschlagen. Der Onkel stand hinter ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Bei meinem Eintreten blickte der Hüne wortlos auf. Weil Margaret in diesem Moment das Wort ergriff, wurde mir schließlich klar, wen ich vor mir hatte.
    »Onkel, was ist geschehen?« Sie tastete nach meiner Hand und drückte sie so fest, dass es wehtat. Onkel Roger winkte mich heran. Ich machte ganz

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