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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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rothaarige Mädchen eigentlich gar nicht am Leben lassen, weil sie so hässlich sind«, wandte Mercy sich an Mary.
    »Du musst schließlich wissen, was hässlich bedeutet, Mercy, dazu brauchst du ja nur in den Spiegel zu schauen.« Ich hätte meine Zunge hüten oder einfach weggehen sollen, aber ich war nun einmal, um mit den Worten meines Onkels zu sprechen, ein Wildpferd, und Diplomatie gehörte nicht zu meinen Stärken.
    Mary und Phoebe sahen erst Mercy an, bedachten dann mich mit einem mitleidlosen Blick und warteten auf das Donnerwetter. Rasch schaute sich Mercy um und vergewisserte sich, dass die meisten Gemeindemitglieder bereits zu ihren Wagen zurückgekehrt waren. Wir vier standen ein gutes Stück entfernt von meiner wartenden Familie. Als Mercy auf mich zutrat, erinnerte ich mich daran, wie sie Richard zu Boden geschleudert hatte, und wich zurück. In ihrem Gesicht malte sich kein Zorn, nur ein ruhiger, stumpfer Ausdruck, sodass ich am liebsten die Flucht ergriffen hätte, denn er wirkte viel bedrohlicher als eine finstere Miene oder ein Wutausbruch. Rasch versuchte ich mich aus dem Staub zu machen, doch Mercy packte mich, den breiten Rücken an einen Grabstein gestützt, unsanft am Nacken, zog mich auf ihren Schoß und umklammerte meine Arme, dass ich mich weder bewegen noch losreißen konnte. Währenddessen stellten Mary und Phoebe sich vor uns auf und breiteten ihre Röcke aus, als zöge man einen Vorhang zu, um etwas Unschönes zu verbergen. Im nächsten Moment beugte Mercy sich vor und biss mir ins Ohr. Es blutete zwar nicht, tat aber ziemlich weh.
    »Ein Schrei, und ich beiße es dir ab«, zischte sie. Ich zweifelte nicht daran, dass sie ihre Drohung nicht nur wahrmachen, sondern das Ohr auch noch in einem Stück hinunterschlucken würde.
    »Du stinkst wie eine Sickergrube«, stieß ich hervor.
    Ihr Griff wurde fester, während sie zu den anderen sagte: »Ihr solltet vor ihr auf der Hut sein. Die Indianer sagen, dass Rothaarige Hexen sind. Ihre Mutter ist auch eine Hexe. Das stimmt. Ich habe selbst gehört, wie sie durch Zaubersprüche Blitze heraufbeschworen hat. Und dann hat sie die Windrichtung geändert, damit das Feuer von ihren Feldern auf die von Henry Holt getrieben wurde. Außerdem hat sie das eitrige Euter der Kuh schneller geheilt, als man Abrakadabra sagen kann.«
    »Die einzige Hexe in Andover bist du«, protestierte ich und versuchte, mich loszureißen. Daraufhin drückte sie noch fester zu, sodass mir die Rippen wehtaten und ich kaum noch Luft bekam.
    »Timothy Swan hat mir erzählt, Martha Carrier hätte ihm bei ihrem ersten Besuch im Versammlungshaus einen bösen Blick zugeworfen, und seitdem fühle er sich nicht wohl«, mischte Mary sich eifrig ein.
    »Mein Vater sagt, Roger Toothaker sei oft bei ihm im Gasthof gewesen und habe berichtet, Goodwife Carrier habe ihn um das Haus betrogen, das für seinen Sohn bestimmt gewesen sei. Seit sie ihn verflucht habe, sei die alte Narbe auf seinem Bauch wieder aufgegangen und eitere.« Auch Phoebe musste ihren Senf dazugeben.
    Die Worte schmerzten, als wäre ich in ein Feld voller Brennnesseln gefallen. Mary beugte sich über den Grabstein und zischte laut: »Ich habe mit Allen Toothaker über die Sache gesprochen. Jetzt wohnt er bei Timothy Swan und hat kein eigenes Zuhause. Allen findet, dass seine Tante die übelste Frau ist, die je gelebt hat.«
    Inzwischen hatte sogar Phoebe verstanden, wie der Hase lief, und stürzte sich begeistert ins Getümmel. »Vor ein paar Wochen habe ich gehört, wie mein Vater mit Benjamin Abbot redete, der ein Haus auf der anderen Seite des Shawshin besitzt. Goodman Abbot hatte Streit mit Goodwife Carrier. Er wollte eine Steinmauer bauen und dachte sich nichts Böses dabei, als sie über ihn herfiel und schimpfte, er werde es noch bereuen, das Land so dicht an ihrem Haus nicht in Ruhe gelassen zu haben. Sie drohte ihm mit der Faust und meinte, sie werde sich an ihn heften wie die Rinde an einem Baum. Er werde sein Verhalten büßen, noch ehe sieben Jahre vergangen seien. Außerdem sagte sie, sie wünsche, er möge so schwer erkranken, dass selbst Dr. Prescott ihn nicht heilen könne.« Ihre Zunge bewegte sich so flink, als lecke sie Honig von einem Stöckchen.
    »Was, findet ihr, sollen wir jetzt mit ihr machen?« Mercy blickte zu den beiden Mädchen auf, deren Köpfe wie zwei Fratzen über den Grabstein ragten.
    »Ich würde vorschlagen, ihr Erde in den Mund zu stopfen«, rief Mary, die kurz davor schien, jubelnd

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