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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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stolz auf mich war. Dabei starrte ich Reverend Barnard, der die Kanzel inzwischen allein beherrschte und Reverend Dane ins Publikum verbannt hatte, wütend an. Es wunderte mich nicht, dass er seine Predigt auf eine Passage aus dem ersten Petrusbrief stützte: »Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.«
    Da Hannah sich auf meinem Arm immer heftiger sträubte, setzte ich sie ab und versuchte, sie am Handgelenk festzuhalten. Doch sie zerrte und murrte so lange, bis ich sie nach draußen führte. Da der Tag heiß war, setzte ich mich mit ihr unter den nächstbesten Wagen. Froh, dass sie nicht mehr quengelte, ließ ich sie in der Erde graben und schimpfte sie nicht, als sie Häufchen davon auf ihrer Schürze auftürmte. Ungewaschen und ungekämmt, wie sie war, sah sie ohnehin aus wie ein Waisenkind. Seit Mutter fort war, maßen wir der Körperpflege keine große Bedeutung mehr bei, und als ich die Trauerränder unter meinen Fingernägeln betrachtete, musste ich wehmütig an Margarets glatte, saubere Hände denken. Wir saßen schon seit fast einer Stunde unter dem Wagen, als wir hörten, dass die Tür aufging. Zwei Männer näherten sich dem Wagen. Sie stützten einen dritten Mann, der hustete und keuchte und schon sehr alt zu sein schien. Offenbar hatten sie den Gottesdienst früher verlassen, um ihn an die frische Luft zu bringen. Beim Näherkommen unterhielten sie sich, und ehe ich Gelegenheit hatte, unter dem Wagen hervorzukriechen, hatten sie den Großvater schon aufs Stroh gebettet. Es war mir peinlich, mich ihnen zu zeigen, und je länger sie redeten, desto unmöglicher erschien es mir, herauszukriechen wie eine Eidechse unter einem Stein. Ich konnte zwar nur die untere Hälfte ihrer Beine sehen, verstand jedoch deutlich, was sie sagten, und hoffte nur, dass Hannah still sein und uns nicht verraten würde.
    Der erste Mann klopfte dem Greis auf den Rücken. »Findest du es nicht auch eine Frechheit, dass sie so dreist ins Versammlungshaus spazieren?« Er hatte vor kurzem seine Stiefel mit der kantigen Kappe von rechts nach links getauscht, sie jedoch noch nicht richtig eingelaufen, sodass seine Füße aussahen wie verkehrtherum eingehängt.
    Der andere Mann war klein und gedrungen. »Die Kinder sind verhext, daran besteht kein Zweifel«, meinte er mit einem gedehnten Akzent, der auf eine in Schottland verbrachte Kindheit hinwies. »Doch er ist es, der mein Blut in Wallungen bringt.« Daran, wie er das Wort »er« betonte, erkannte ich, dass er Vater meinte. In verschwörerischem Ton fuhr er fort, als erzähle er einem Kind eine Gespenstergeschichte. »Was muss man für ein Mensch sein, um allein auf die Jagd zu gehen? In diese Wälder, wo es von Indianern nur so wimmelt? Ein ausgezeichneter Schütze ist er und hat einen Bären, so groß wie ein Haus, mit einem einzigen Schuss in den Hals erlegt. Ich habe den Karren mit dem Kadaver auf der Straße vorbeifahren sehen. So ein riesiger Bär ist mir noch nie untergekommen. Angeblich haben sogar die Indianer Angst vor dem Kerl.«
    »Ich habe gehört, er soll vor ein paar Jahren in Boston einen Mann mit einem einzigen Schlag auf den Kopf getötet haben«, ergänzte Goodman Schieffuß.
    »Nein«, widersprach Goodman Dickwanst. »Heute auf den Tag genau vor fünfzehn Jahren hat er einen Mann in Billerica verprügelt und ihn beinahe umgebracht. Aber er hat es nicht geschafft. Allerdings musste er eine Geldstrafe bezahlen.«
    Der alte Mann hatte zu husten aufgehört, und ich hörte den Wagen quietschen, als er sich zum Schlafen hinlegte. Inzwischen waren die beiden Beinpaare näher zusammengerückt, und ich hörte die Männer tuscheln.
    »Keine Sorge«, meinte Schieffuß. »Sprich nur frei von der Leber weg. Der Alte ist stocktaub. Carrier ist mit einer Geldstrafe davongekommen, weil keiner den Mut hatte, diesen Riesen in Ketten zu legen. Wusstest du, dass er Soldat bei der königlichen Garde war? Einige behaupten sogar, er sei Leibwächter des Königs gewesen, bis er die Seiten gewechselt hat und zu Cromwell übergelaufen ist. Es gibt nicht viele Männer, die eine Hexe zur Frau haben und noch immer auf freiem Fuß sind. Aber das Schlimmste hast du vermutlich noch gar nicht gehört.«
    »Doch«, erwiderte Dickwanst. »Nur unter uns gesagt - und möge Gott Charles II. ein langes Leben schenken -, man hat als Schotte den alten Oliver Cromwell doch in recht guter Erinnerung. Obwohl das selbstverständlich kein Grund ist,

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