Die Tochter der Konkubine
nahmen ihre Pflichten auf, doch für Lis Zimmersuite, die im Ostflügel des Hauses neben Bens lag, war allein Fisch zuständig.
Obwohl Li instinktiv wusste, dass dieses große Abenteuer nicht ewig währen würde, war sie entschlossen, möglichst jeden Augenblick davon auszukosten. Sie verlangte wohl, dass Ben dem Chauffeur Ah-Geet einen anderen Posten verschaffte, sagte aber lediglich, sie fühle sich in seiner Gegenwart nicht wohl. Zu ihrer Erleichterung fragte Ben nicht weiter nach den Gründen, sondern zahlte ihn großzügig aus und fand bei einem Teilhaber eine andere Anstellung für ihn.
Es war einfach, die Sorgen zu vergessen, wenn Li auf die Meeresterrasse trat, um auf die geschützte Bucht mit ihren versprengten Inseln und weit auf den Horizont des Südchinesischen Meeres hinaus zu schauen, oder wenn sie auf dem Grundstück herumwanderte, das sich ewig zu erstrecken schien. Wie die Anlagen von Sky House waren die Ti-Yuan-Gärten durch eine Reihe von Mondtoren voneinander getrennt, die derart angeordnet waren, dass man in jedem ein anderes Wunschbild der Vollkommenheit vorfand - so dass man sich von einem Hafen der Ruhe in den nächsten bewegen konnte, die von murmelnden Bächen und kleinen Wasserfällen durchzogen waren, mit plätschernden Springbrunnen, die Zierteiche speisten. Bäume waren selten - Küstenwacholder, Chinesisches Rotholz, Kirschpflaume, Rote Seidenwollbäume und Zwergkiefern, dazu Büsche, die bekanntermaßen prächtige Schmetterlinge anlockten. Ein Obstgarten mit Dattelpflaumenbäumen, Kumquat und Orangen diente einer Vielfalt an Vögeln als Paradies, und über allem lag der traumhafte Duft der Gardenien. Ein fünffach verriegeltes Tor trennte die himmlischen Gärten von einem Wäldchen aus Hängebirken und über drei Meter hohen Fichten. Dazwischen wuchsen Narzissen und Krokusse, in den Schattenbereichen dicht an dicht Glockenblumen und Bens Lieblingsblumen, die kornischen Veilchen, die ihren flüchtigen Duft verströmten.
Für Li war es ein großes Abenteuer, die Tore am Morgen zu durchschreiten, an denen die Sikhs zackig salutierten. Ehe sie Macao verlassen hatten, hatte Ben ihr das Autofahren beigebracht. Nun raubte der stürmische Meereswind ihr den Atem, zerzauste ihr Haar und peitschte die Tränen der Aufregung aus ihren Augen, während sie den Lagonda die Küstenstraße entlang zur Causeway Bay steuerte. Wie in Macao besaß sie über den Lagerhäusern ein eigenes Büro, wo sie sich stundenlang in ihre Compradorenarbeit vergrub.
Am frühen Abend - eine messingfarbene Sonne hing wie ein Tempelgong über dem Meer - besuchten Li und Ben die Gärten gemeinsam. Sie teilten sich diesen Bereich mit niemandem: Die
Bediensteten hielten sich an ihre eigenen eingefriedeten Höfe, und Fisch genügte es, bei Bedarf herbeigerufen zu werden. Ah-Kin respektierte ihre Privatsphäre, hieß sie jedoch in seinem Steinhäuschen jederzeit auf einen Tee oder ein Gespräch über Blumen und ihre Blütezeiten willkommen.
Dennoch, der Frieden und die Freude, die Li an Bord der Golden Sky gefunden hatte, ihr Glück, nur begleitet von Wangs Flöte und dem Drosselgesang, waren dahin. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass zumindest ein Teil von ihr, vielleicht der Teil, den sie im Maulbeerbaumhain zurückgelassen hatte, nicht in eine derart wohlhabende Umgebung gehörte. So angenehm diese Reichtümer auch waren, sie hätte sie freudig ausgetauscht, um stattdessen mit Ben, dem Meer und dem Himmel allein zu sein, wo nichts verborgen war und die wechselnden Winde alles sauber fegten.
Fisch erfuhr als Erste, dass Li schwanger war. Als Ben von Lis Zustand hörte, war seine Freude so groß, dass sie ihre geheimen Sorgen darüber begrub. Ein Nebenraum von Li-Xias Schlafzimmer wurde in ein Kinderzimmer umgewandelt, das nur ein paar Schritte von ihrem Bett entfernt lag und das sie nach ihren Wünschen einrichten durfte. Sie bereitete sich sowohl auf einen Jungen als auch auf ein Mädchen vor und hängte an die eine Wand das Bild eines rittlings auf einem Löwen sitzenden Jungen und an die gegenüber das Bild eines Mädchens, das sich an den Rücken eines fliegenden Kranichs klammerte.
Ben war rücksichtsvoller denn je und nur widerstrebend bereit, ihr zu gestatten, dass sie ihn weiterhin ins Causeway-Bay-Büro begleitete, wann immer sie es wünschte, und auch nur, wenn sie sich an den Rat des Arztes hielt. Ben hatte gefragt, ob sie einen chinesischen Arzt einem westlichen vorzöge, und sie hatte die Wahl
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