Die Tochter der Konkubine
Tagesanbruch auf den Felsen großer Stärke mitnehmen. Zum Sonnenaufgang wird sie beginnen, den Stil des weißen Kranichs zu begreifen … und noch einmal, wenn das Licht schwindet.
Zwei Jahre lang wird dieser Felsen ihr Spielplatz sein. Seine Härte
wird sie gar nicht mehr bemerken und auch seine Höhe nicht mehr fürchten. Es wird ein Ort sein, dem sie vertraut, ein Zentrum ihres Lebensmusters. Mit fünf wird sie meine Schülerin und ich nicht mehr ihr Yeh-Yeh sein, sondern ihr Lehrer und Meister … ihr si-fu . Das dauert dann nochmal acht Jahre.«
Fisch wusste, es gab noch etwas Wichtiges zu besprechen. »Verzeih mir, Cousin, aber was ist mit dem Hirtenjungen, der dich si-fu nennt? Kennt er deine Entscheidung?«
»Ich habe viel darüber nachgedacht«, versicherte ihr der alte To. »Er ist in den Bergen unterwegs, aber nach seiner Rückkehr spreche ich mit ihm. Wir werden uns schon einigen.«
Zwei Tage später kehrte Ah-Keung in den Kräuterschuppen zurück, einen langen geflochtenen Korb auf den Rücken geschnallt, der mit wildem Ginseng gefüllt war. Er hatte schon die Waage aufgestellt, als Meister To in der Tür erschien und ihn ansprach.
»Wie lange haben wir miteinander trainiert, Ah-Keung?«
Der Hirtenjunge antwortete prompt: »Wenn der Winter kommt und die Fischer zum Auswerfen ihrer Netze erst das Eis brechen müssen, sind es zweiunddreißig Jahreszeiten, si-fu .«
»Du hast dich in den acht Jahren sehr gut angestellt. Ich bin stolz auf dich, aber nun ist es an der Zeit, dass ich jemand anderen unterweise.«
Ah-Keung fiel auf die Knie und presste seine Stirn vor den Füßen seines Meisters auf die Erde.
» Si-fu , Ihr bedeutet mir alles. Ihr seid mein Meister, mein Lehrer und mein Vater. Ohne Euch bin ich nichts!«
In Tos Stimme schwang keinerlei Mitleid mit. »Steh auf, Ah-Keung. Du brauchst nicht länger vor irgendjemandem niederzuknien.«
Langsam erhob sich Ah-Keung und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen fort. » Si-fu , was soll ich tun? Auf den Felsen, da ist mein Leben, ein anderes kenne ich nicht.«
»Ich habe dir gezeigt, wo du in Hecken Heilpflanzen finden
kannst und wo die magischen Wurzeln des Waldes, und ich habe dir beigebracht, welchen Nutzen sie haben. Dein Fuß ist so eisern wie dein Wille. Es wird Zeit, dass du allein zurechtkommst.«
»Werdet Ihr Kleinen Stern unterrichten … wird sie Eure Schülerin?«
»Stell meine Entscheidungen nicht in Frage. Ich habe dir einen Namen und damit Würde gegeben; bitte nicht um noch mehr. In dir steckt ein Dämon, mit dem nur du selbst es aufnehmen kannst. Zerstöre ihn, solange du kannst, sonst zerstört er dich, ganz gewiss.«
Meister To entbot ihm den Sonnen - und Mondgruß und wandte sich dann zum Gehen. »Ich habe dir alles gesagt und alles für dich getan, was in meiner Macht steht. Reise so sanft, wie das Leben es dir gestattet, Ah-Keung. Wenn du deinen Weg gefunden hast, kehre zurück, um von deinen Abenteuern zu berichten, und wir werden wieder zusammen Ginsengtee trinken.«
Der Hirtenjunge blieb noch eine Weile und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, die in ihm herumwirbelten wie Wespen, kurz bevor sie stechen. Sein Puls beschleunigte sich nicht, aber sein Chi erhitzte sich, und sein Herz verwandelte sich in seiner Brust zu Eisen. Die Stimmen, die nie weit weg waren, verspotteten den Hundejungen mit dem verdrehten Fuß. Nie zuvor hatte er sich so allein und gleichzeitig so stark gefühlt. Und noch nie hatte der Hass in ihm so hell gelodert wie jetzt.
Siu-Sing kniete auf dem warmen Boden im Garten und half Paw-Paw, Süßkartoffeln einzusammeln, als sich der Tod im schönen Muster aus dem Gemüsekorb neben ihr entfaltete. Mit Onkel To hatte sie schon oft yan-jing-shi gesehen, die Waldkobra. Sie hielten dann immer an und warteten, bis sie den Pfad überquert hatte, und Yeh-Yeh sprach dann ganz leise, während sie über den Waldboden davonkroch. » Yan-jing-shi kann man nicht trauen, deswegen spielen wir nicht mit ihr. Wir müssen still sein und sie ohne einen Mucks vorbeiziehen lassen.«
»Was machen wir, wenn sie nicht weggeht?«
»Wenn sie uns nicht freiwillig verlässt, müssen wir uns ganz langsam davonstehlen, weil wir die Welt betreten haben, in der sie Königin ist. Wenn sie uns folgt, laufen wir nicht davon: Sie darf nicht wissen, dass wir Angst vor ihr haben. Wir dürfen ihr nie den Rücken zukehren und müssen ihr für ihren Platz in der Welt Respekt zollen.«
»Aber wenn sie uns nicht
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