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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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einst selbst genäht hatte. Eine ordentliche schwarze Seidenkappe hatte die alte aus zerfranstem Stroh ersetzt, und seine Kalbslederschuhe sahen weich und neu aus.
    Sein nackter Oberkörper war schlank und muskulös, seine Brust und sein Rücken mit frisch gestochenen Tätowierungen verziert: Auf seiner Brust war ein fauchender Tiger abgebildet, auf seinem Rücken eine aufgerichtete Kobra kurz vor dem Angriff.
    »Habe ich dich erschreckt, Kleiner Stern?«
    »Ich fühle mich durch kein Lebewesen, das zum Ort des klaren Wassers kommt, um zu trinken, gestört. Er gehört mir ja nicht.«
    »Ja, ich habe gesehen, dass du die Vögel so bezirzt hast, dass sie sich auf deinen Fingern niederließen und dir die Tiere aus der Hand fraßen. Ich habe mein ganzes Leben mit ihnen verbracht, aber zu mir kommen sie nie. Hat dir die alte Hexe Ah-Paw diese Zauberei beigebracht?«
    Siu-Sing hatte eben nach ihren Kleidungsstücken greifen wollen, hielt nun aber inne und blickte ihn an. Er lächelte, ohne seine schiefen Zähne zu zeigen. Sein Lächeln war nicht so unangenehm wie sie es in Erinnerung hatte, und sein widerspenstiges Haar war jetzt zu einem ordentlichen Bürstenhaarschnitt gekürzt.
    Seine Augen, bemerkte sie, sahen nicht länger tief, dunkel und verloren drein, sondern amüsiert, wissbegierig und selbstbewusst.
    »Beobachte mich nicht, wenn ich nichts davon weiß. So was nennt man spionieren - und ich will nicht ausspioniert werden.«

    »Wenn ich dich beobachte, dann nur deswegen, weil du Kleiner Stern bist. Ich bin nicht mehr wütend und beneide dich auch nicht um deinen Platz auf dem Felsen. Ich habe außerhalb des Dorfs einen si-fu gefunden, der ebenso großartig ist wie Meister To. Er unterrichtet mich in weiseren Dingen als Geduld, Toleranz und Disziplin - er lehrt mich Tatkraft, Vorfreude und Rache.«
    Lachend warf er sich in die Brust, hob die Arme und spannte seine Muskeln an, so dass der Tiger auf seiner Brust zu fauchen schien. »Sein Name ist Schwarzeid-Wu; er lehrt mich den Stil des Tigers, den Stil der List und des Angriffs. Wer vermag schon zu sagen, wer recht hat? Nur der ku-ma-tai, der Kampf, der zum Tod des einen und zum Sieg des anderen führt … nur dieser Kampf kann Antwort geben.«
    Er drehte sich um. Die angespannten Muskeln spreizten die Haube der Kobra noch weiter auseinander. »Und ich lerne den Stil der Yan-jing-shi , der Schlange - unsichtbar, geräuschlos, schneller als ein Lidschlag; so tödlich giftig, dass sie nur ein einziges Mal zuschlagen muss.« Er lachte beinahe freundlich. »Würdige Gegner für den weißen Kranich, würde ich sagen. Ich hoffe, sie beleidigen dein Auge nicht … Sieh her, ich bedecke sie.«
    Er schlüpfte in die Jacke und knöpfte sie zu, dann beugte er sich vor, teilte sein drahtiges Haar und deutete auf drei weiße Narben, die auf seinem Scheitel ein Dreieck bildeten. »Er bringt mir auch bei, wie man Schmerzen bezwingt. Das da ist das Zeichen der Triade. Drei Räucherstäbchen haben sich ihren Weg bis zum Knochen durchgebrannt … Ich habe keinen Mucks von mir gegeben.«
    Er zerzauste sein Haar, um die Narben wieder zu bedecken.
    »Du siehst also, Kleiner Stern: Du warst es, die mein klägliches Leben verändert und mich auf den rechten Pfad geführt hat. Ohne dich würde ich meine Zeit immer noch mit der Suche nach jemandem verschwenden, der Beifall klatscht, und den Geheimnissen des Tao auf den Grund gehen. Bald reise ich nach Hongkong, wo man leicht an Gold kommt. Dafür werde ich immer in deiner Schuld stehen.«

    Siu-Sing war entschlossen, ihm nicht zu zeigen, wie unwohl sie sich fühlte. Sie rieb sich das Wasser von der Haut und wrang das Haar aus. Der Energische sah nicht beiseite. Er streckte seine Hand aus, um sie zu berühren, wurde aber durch einen Blick ihrer violettfarbenen Augen davon abgehalten. »Du bist noch ein Kind, Siu-Sing, aber schon jetzt bist du ho-lieng - so schön wie eine rote Lotusblüte in einem See pinkfarbener Blüten.«
    Sein Kompliment ignorierte sie: Ho-lieng zu sein, bedeutete, hübsch wie die Brust eines Vogels oder schön wie das Auge eines Tigers zu sein, und mit keinem davon brachte sie sich in Verbindung. Sie zog ihre Hose an, knöpfte ihre Tunika zu und schlüpfte anschließend ohne Hast in ihre Sandalen. Sie merkte, wie seine Ungeduld angesichts ihres Schweigens wuchs. Als er wieder sprach, klangen seine Worte härter, und seine Stimme war tief wie die eines Mannes.
    »Mit deinem Schweigen zeigst du mir kein Gesicht. Wenn du

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